Die geheime Waffe
die Zeiger seiner Uhr gnadenlos weiterwanderten, drehte er in Gedanken Petra den Hals um.
»Eine Frage, Herr Oberleutnant: Fahren wir die ganze Strecke nach Suhl, oder nehmen wir ein Flugzeug?«, fragte Henriette.
»Wir fahren! Mit dem Flugzeug sind wir kaum schneller, weil wir zuerst eine Flugmöglichkeit finden und uns am Ziel einen anderen Wagen besorgen müssten. Außerdem bin ich den Kasten hier gewöhnt.« Erst nachdem er es gesagt hatte, fiel Torsten ein, dass diesmal nicht er, sondern das Generalstöchterlein am Steuer sitzen würde. Er überlegte, ob er Henriette auffordern sollte, den Platz zu räumen, damit er selbst fahren konnte. Doch so pingelig, wie er sie einschätzte, würde sie es umgehend Wagner melden, und einen weiteren Fauxpas bei seinem Vorgesetzten konnte er sich wahrlich nicht leisten.
FÜNFZEHN
P etra kam in dem Moment, in dem Torsten wie ein gereizter Stier losstürmen wollte, um sie zu suchen. Sie sah abgehetzt aus und wirkte auch nicht besonders zufrieden. »Hier ist alles drauf, was ich bis jetzt herausgefunden habe. Dazu der erste Bericht, den die Polizei wegen des Brandes in der Waffenfabrik geschickt hat. Ich dachte, er würde dich interessieren, darum habe ich gewartet, bis er durchgekommen ist.«
»Danke, Petra, du bist ein Schatz!« Torsten vergaß alle Mordabsichten und klopfte seiner Freundin anerkennend auf die Schulter. »Ich sagte doch, wenn es jemand schafft, dann du!«
»Sei bitte nicht enttäuscht, wenn du die Ausbeute sichtest.
Viel habe ich nicht herausgefunden.« Damit steckte sie Torsten eine SD-Karte zu und trat beiseite.
Torsten überlegte, ob er besser hinten einsteigen sollte, um in Ruhe an seinem Laptop arbeiten zu können. Doch hinten saßen gewöhnlich die Generäle und jene höheren Offiziere, die sich für wichtig hielten. Daher nahm er auf dem Beifahrersitz Platz.
Noch während er die Tür zuzog, startete Leutnant von Tarow den Wagen. Sie fuhr im vorschriftsmäßigen Tempo über das Kasernengelände, und Torsten, der sich nie um das Beschränkungsschild auf zehn Kilometer pro Stunde gekümmert hatte, konnte sich eine bissige Bemerkung nicht verkneifen.
Er vergaß seine Fahrerin jedoch in dem Augenblick, in dem er seinen Laptop einschaltete und die Daten einspielte. Petra mochte die Ausbeute für enttäuschend halten, doch er sah eine Fülle an Material vor sich, das ihm sowohl einen Einblick in die internen Verhältnisse in der Waffenfabrik als auch über deren Brand und den Ablauf der Randale der Neonazis verschaffte.
Die Fabrik gehörte zum Firmenimperium eines gewissen Geerd Sedersen und war von diesem erst kurz vor der Entscheidung, den Prototyp des Scharfschützengewehrs SG21 dort herstellen zu lassen, gekauft worden. Sedersen hatte auch Mirko Gans als leitenden Ingenieur in die Fabrik geholt. Außer einer Lizenzfertigung von Pistolen für einen ausländischen Auftraggeber und der Munition für das SG21 waren in der Fabrik keine weiteren Waffen oder Geräte hergestellt worden.
Die für die Spezialpatronen benötigte Treibmischung war der zweite Punkt, der Torsten auffiel. Der Auftrag an die Firma hatte eintausendfünfhundert Projektile für Versuchszwecke umfasst. Durch einen Fehler im Beschaffungsamt war jedoch so viel Treibmasse dorthin geliefert worden, dass mehr als hunderttausend Geschosse hätten angefertigt werden können.
»Dem müssen wir auf den Grund gehen«, sagte Torsten leise zu sich selbst.
»Wem müssen wir auf den Grund gehen?«, fragte Henriette.
Torsten hatte schon eine patzige Antwort auf den Lippen, sagte sich dann aber, dass Wagner ihm schließlich aufgetragen hatte, sie auszubilden. Daher blickte er von seinem Laptop hoch und starrte in die Landschaft, die an ihnen vorüberflog. Die Nadel des Tachos stand leicht über hundertsiebzig. Leutnant von Tarow mochte vielleicht auf dem Kasernengelände vorsichtig fahren, doch auf der Autobahn schien sie sich nicht vor hohen Geschwindigkeiten zu fürchten.
»Die Waffenfabrik, zu der wir fahren, hat fast das Hundertfache der benötigten Treibmasse für die Patronenherstellung bekommen. Das ist etwas, worum sich Petra und Wagner kümmern sollten.«
Torsten senkte wieder den Kopf und schrieb eine Mail an Petra. Das Verschlüsselungsprogramm hatte diese selbst geschrieben und behauptet, die besten Geheimdienste der Welt würden ihr System nicht knacken können. Er schickte sie über den eingebauten Sender des Wagens ab und vertiefte sich wieder in Petras Berichte. Als er das
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