Die geheime Welt der Frauen
jemanden hätte, bei dem ich damit angeben könnte«, sagte Suzanne und schlüpfte in ein schwarzes Hemdchen.
Sima wandte sich zu ihr, während sie die Einkäufe (drei Garnituren) und ihre abgelegte Unterwäsche faltete. »Aber man kauft ja ohnehin nicht für einen Mann. Man kauft für sich selbst. Glauben Sie mir.«
»Jetzt hören Sie sich wirklich an wie Oprah.« Suzanne knöpfte ihre Bluse zu. »Ich glaube, ich hätte trotzdem lieber jemanden, mit dem ich mir einen Film ansehen kann, als mich selbst ganz toll zu finden, aber egal.«
»Ist Ihnen aufgefallen, wie sehr sich die beiden ähneln?«, fragte Timna, nachdem sie fort waren.
Sima nickte. Suzanne war zehn oder fünfzehn Jahre jünger, aber beide waren durchschnittlich groß, von durchschnittlichem Gewicht und hatten beide rotbraunes, glatt auf die Schultern fallendes Haar. »Offensichtlich benutzen sie die gleiche Coloration.«
»Ich schätze, Art mag die beiden so.«
»Timna!«, sagte Sima tadelnd, musste aber lachen.
Das Ende einer weiteren Woche. Timna winkte zum Abschied und schloss die Tür hinter sich. Sima wandte sich ab und faltete auf der Ladentheke ein Hemdchen zusammen. Wo ging Timna hin, fragte sie sich, während sie die burgunderfarbene Seide glatt strich. Wie sah ihr Zuhause aus, wie waren ihre Abende, die sie dort verbrachte? Es frustrierte sie, dass dieses Mädchen ihre ganze Welt ausfüllte, während sie selbst bei ihr nur einen kleinen Teil einnahm. Die Arbeitswoche: die Stunden, die man hinter sich bringen musste.
Einen Moment lang stellte sie sich vor, was Timna beim Gang durch dieses Viertel sehen würde. Ende September floss goldenes Licht durch die Straßen. Wenn Boro Park je schön war, dann jetzt. Sima ging zur Ladentür, machte sie auf und sah über die Treppe zum Himmel hinauf. Es reichte Timna wahrscheinlich nicht, weil sie unter sattgoldener Sonne aufgewachsen war, aber Sima hoffte es trotzdem.
Als sie zur Ladentheke zurückging, nahm sie gedankenverloren ihren Kalender in die Hand. Auf der Innenseite des
Umschlags stand Timnas Adresse, nur fünf Minuten zu Fuß von hier entfernt.
Warum nicht?, fragte sie sich zögernd.
Die Ausrede war einfach. Der Spaziergang täte ihr gut, und es lag praktisch auf dem Weg zum Haushaltswarenladen, wo sie Energiesparlampen kaufen wollte. Und stand es ihr nach all der Zeit nicht zu, Timnas Wohnung zu sehen?
Sie sperrte die Ladentür ab, stieg die hintere Treppe zur Küche hinauf und rief: »Lev!«, als sie durchs Wohnzimmer zur Eingangstür ging.
»Sima?«
Sie hörte, wie der Fernseher leiser gestellt wurde.
»Ich geh in das Haushaltswarengeschäft«, rief sie und zog ihren khakifarbenen Mantel an. »Brauchst du was?«
»Was?«
»Schon gut, ich geh raus, das ist alles.«
Sie wartete keine Antwort ab.
Nach zwei langen Blocks überquerte sie drei kurze Straßen und bog dann um eine Ecke, wo sie angespannt nach Timnas Haus Ausschau hielt. Eine Straße wie jede andere: eng aneinandergebaute Häuser, briefmarkengroße Vorgärten, zu winzig, um selbst kleinen Kindern genügend Platz zum Spielen zu bieten. Ihre verblichenen Plastikspielsachen lagen auf den vollgestellten Balkonen darüber. Es verblüffte Sima jedes Mal wieder, dass es in einem Viertel voller Kinder keinen einzigen Park oder öffentlichen Spielplatz gab, obwohl jedes Geschäftshaus mindestens einen Automaten zum Reiten anbot. Doch das orangefarbene Känguru oder pinkfarbene Pferd bewegte sich nicht wild genug, um auch nur den Kleinsten wirklich Spaß zu machen. Dennoch bettelten sie lauthals um Münzen und hielten sich an den abgenutzten Lederzügeln fest, während sie zum blechernen Klang der ewigen jüdischen Top-40-Hits
- »Hava Nagilah« und »Mosiach, Mosiach, Mosiach« - darauf ritten.
Auf halbem Weg die Straße hinunter zwang sich Sima, langsamer zu gehen. Es wäre noch unangenehmer, wenn man sie erwischte, wie sie vorbeihastete. Wenn sie jedoch schlenderte, könnte sie behaupten, zu einem bestimmten Zweck unterwegs zu sein. Obwohl Timna nirgendwo zu sehen war - was sie alle paar Meter überprüfte, indem sie sich halb umdrehte -, übte Sima ein überraschtes Lächeln und ihren ersten Satz: »Ach, Sie wohnen hier. Ich wollte nur ein paar Glühbirnen in dem Laden auf der Sechzehnten holen …«
Fast wäre sie an dem Haus vorbeigegangen. Eine Enttäuschung: ein vollkommen gewöhnliches Backsteingebäude. Die Zementstufen hätten einen neuen grauen Anstrich vertragen können, aber am breiten Vorderfenster hingen
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