Die geheime Welt der Frauen
einem Doughnut.
»Die Kleins dachten, ihr Schwiegersohn sei Arzt.«
»Okay, okay. Und was dann?« Lev biss in den Doughnut, und etwas rosafarbene Marmelade tropfte auf sein Kinn.
»Und dann was?«
»Was ist dann passiert?« Lev wischte sich mit dem Handrücken übers Kinn.
»Nichts.«
»Was soll das heißen, nichts?«
»Das war’s.«
»Was denn?«
»Warum unterbrichst du mich immer? Na, eben das. Dass er überhaupt kein Arzt ist. Die Polizei ist gekommen und hat seine Praxis geschlossen, und jetzt drohen sie damit, nach Miami zu ziehen.« Sima wandte sich an Timna, die einen Doughnut genommen hatte. »Gut?«
Timna nickte.
»Wer droht, nach Miami zu ziehen?«
»Weißt du, du treibst mich wirklich in den Wahnsinn.« Sima tauchte einen Zipfel ihrer Serviette in Selterswasser und reichte sie Lev. »Wisch dein Kinn ab, da klebt Marmelade dran.«
Lev nahm die Serviette und rieb sich übers Kinn. »Sima, wer zieht nach Miami?«
»Wer wohl? Mrs. Kleins Tochter und der Arzt.«
Lev sah Timna an. »Verstehen Sie das?«
»Sie beide sind doch seit Jahren verheiratet. Sie sollten einander verstehen.«
Lev hob sein Glas. Sima bemerkte nasse Ringe auf dem Tisch und griff nach einer weiteren Serviette. »Wie oft muss ich dir sagen, dass du das Holz kaputt machst? Benutz den Untersetzer.«
Lev wandte sich an Timna. »Da sehen Sie, wie gut wir uns verstehen.«
Timna trommelte mit den Fingern auf den Tisch, während Sima verzweifelt nach etwas suchte, was sie sagen könnte. Sie versuchte, sich zu erinnern, ob sie Timna von Helene und ihren Latkes erzählt hatte. Helene hatte bei der Verlobungsfeier ihrer Tochter vergessen, Eier hinzuzufügen, und die Latkes waren auf dem Tablett alle auseinandergefallen, aber die Gäste waren zu höflich, um etwas zu sagen. Helene hatte nichts bemerkt, weil sie, man stelle sich vor, zu sehr mit Essen beschäftigt war.
Timna stand auf und ging zu einem Bild, das hinter Lev an der Wand hing.
»Sind das Sie beide?«, fragte sie und betrachtete das Paar, das an einem windigen Tag auf einer Bank an der Uferpromenade saß, hinter ihnen ein aufgewühlter Ozean.
Sima nickte. »Art hat es gemacht, als er mit Fotografieren anfing.«
Auf dem Bild lachte Sima, während sie sich bemühte, ihren Mantel im Wind geschlossen zu halten. Lev hielt mit einer Hand seinen Hut fest.
»Ich hab nie bemerkt, dass Sie das sind«, sagte Timna. »Es ist ein großartiges Bild.«
»Ja? Art hat es uns schon so gerahmt geschenkt. Ich persönlich halte mich für gar nicht fotogen.«
»Ach, Sima, das stimmt doch nicht«, erwiderte Lev, »wir haben eine Menge Bilder von dir aus der Zeit, als du dich noch von mir hast fotografieren lassen.«
»Ich hab dich gelassen? Du brauchst die Erlaubnis dazu?«
Lev sah Timna an und öffnete die Hände. »Sie mochte nicht fotografiert werden, also hab ich’s gelassen, denke ich.«
Sima sah, dass Timna auf ihre Uhr blickte, aber statt sich zu entschuldigen und aufzubrechen, fragte die junge Frau, ob sie noch mehr Fotos hätten, die sie ansehen könnte. Obwohl Sima vermutete, dass Timna nur höflich war, ging sie vor dem Bücherregal in die Hocke, um ein paar alte Alben herauszusuchen, weil sie nicht auf Timnas Gesellschaft verzichten wollte.
Sie setzten sich auf ein braunes, mit Nieten versehenes Ledersofa: Timna zwischen Lev und Sima, die zusahen, wie sie die vergilbten Seiten umblätterte. Es gab Schnappschüsse am Strand, in den Catskills, vor ihrem Haus: Sima in einem weißen Leinenkleid mit einem Tuch um den Kopf, die stolz eine gestreifte Tasche an sich drückte und verlegen in die Kamera blickte. Die beiden bei der Hochzeit eines Cousins, Lev in einem hellblauen Smoking, Sima in einem glitzernden schwarzen
Kleid. Sima und Lev auf der Veranda eines Bungalows, ein Hundewelpe auf Levs Schoß.
»Ich wusste gar nicht, dass Sie einen Hund hatten.«
»Ich hab Poncho für Sima gekauft. Wozu - zu deinem Geburtstag?«
Sima nickte. »Er war süß, aber er eignete sich nicht für eine Wohnung. Er zerriss alles und pinkelte überallhin. Wir haben ihn einem Paar geschenkt, das auf eine Farm in Connecticut gezogen ist.«
»Haben Sie sich keinen anderen besorgt?«
»Zu viel Arbeit. Wir dachten, Kinder würden einen Hund mögen, aber nur für uns beide …«
Sima beendete den Satz nicht, Lev seufzte leicht.
Timna blätterte schnell weiter. »Sieh an - Sie waren in der Zyklon-Achterbahn? Ich bin letzte Woche mit meiner Kusine dort gewesen.«
Sima und Lev standen Arm in Arm
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