Die geheime Welt der Frauen
neben Connie und Art. Die Männer trugen Hornbrillen, die Frauen Hochsteckfrisuren.
Sima seufzte laut. Art und Connie, sagte ihr Seufzen, wie schade.
»Sie beide sehen aus wie Models«, sagte Timna. »Ehrlich, das ganze Zeug ist jetzt wieder modern - Sie könnten in einer Modestrecke in der Vogue sein.«
»Nein«, widersprach Sima. »Wir waren nichts Besonderes.«
»Wie kannst du das sagen, Sima?«, fragte Lev. »Du warst bildhübsch.«
»Jetzt sagst du das?« Sie sah Lev angewidert an - er machte das nur wegen Timna, spielte plötzlich den hingebungsvollen Ehemann. »Damals hab ich das nicht von dir gehört.«
»Sie sehen immer noch hübsch aus«, erklärte Timna und blätterte weiter. »Wenn ich in Ihrem Alter so aussehe, bin ich froh.«
Sima zog eine Augenbraue hoch. »Sie wollen aussehen wie
ich? Sie müssen wohl verrückt sein. Wie auch immer, Ihr Leben wird ganz anders sein. Mein Körper wurde durch eine Hormontherapie zerstört, wohingegen …«
Lev seufzte.
»Warum stöhnst du so?«, fragte Sima. »Ich sag doch bloß …«
Lev schüttelte den Kopf. »Es reicht.« Er sah Timna an. »Sima kann Ihnen den Rest des Albums zeigen, das ist ihr ohnehin lieber. Ich leg mich hin.«
Sima sah ihm nicht nach, als er ging. Stattdessen studierte sie ein Schwarz-Weiß-Foto, auf dem sie beide, in dicke Mäntel, Schals und Mützen gehüllt, auf dem Times Square standen und warteten, dass sich die Kristallkugel herabsenkte: Es war Silvester. Nachdem sie gehört hatte, wie die Schlafzimmertür zuklickte - leise natürlich, Lev würde sie nie zuschlagen -, schloss sie das Album und stand auf.
Sie lächelte Timna an. »Also, jetzt kennen Sie das Schlimmste.«
»Es tut mir leid, ich wollte nicht …«
Sima erwiderte abwehrend: »Es gibt nichts, was Ihnen leidtun müsste.« Sie tätschelte das Album und stellte es ins Regal zurück. »Vielleicht hatten Sie recht, Timna«, fügte sie hinzu und hielt sich am Regal fest, während sie aufstand, »vielleicht ist es besser, eine Sache früher zu beenden, nicht daran festzuhalten, bis alle Liebe verschwunden ist.«
»Ich will keine Adoption«, sagte Sima zu Lev. »Ich will keine Kinder von anderen Leuten. Diese Kinder haben Probleme, Hirnschäden, sind kriminell. Das will ich nicht.«
Was sie nicht sagte: Sie hatte nicht mehr das Gefühl, dass sie verdiente, Mutter zu sein.
Lev protestierte kaum. »Lass dir Zeit«, meinte er, »nach einer Weile denkst du anders.«
Sima wartete und wünschte sich in den langen Nächten, den
Tagen und während der im Haus verbrachten Wochenenden, es wäre wahr.
Lev beeilte sich nicht mehr mit seiner Korrekturarbeit, damit sie Zeit zusammen verbringen, spazieren gehen konnten, sondern brütete jetzt stundenlang über Aufsätzen, Prüfungen und Komiteeberichten, während sie in der Küche las oder sich mit einer Freundin traf - in der Hoffnung, er würde sehen, wie verletzt sie war, wie sehr sie seine Liebe brauchte. In der Dunkelheit des Schlafzimmers sehnte sie sich nach seiner Berührung, und manchmal versuchte Lev, weil er keine Worte hatte, Sima mit seinem Körper zu öffnen. Er streichelte ihren Bauch, ihre Brüste, beugte sich hinunter, um ihre Wange, ihr Ohr zu küssen. Aber trotz ihrer Sehnsucht drehte sie sich nicht zu ihm um: Sein Atem war zu intensiv an ihrem Ohr, seine Hände waren zu schwer auf ihrer Haut. Sie erlaubte ihm zwar, ihre Beine zu öffnen und in sie einzudringen, aber wenn er fragte, wie es ihr gehe, wenn er ihr in die Augen zu sehen versuchte, blieb sie stumm und hielt das Gesicht zum Kissen gedreht.
Nachts, wenn sie nicht schlafen konnte, rollte sie sich zusammen und versuchte, nicht an die vor ihnen liegenden Jahre zu denken, wenn nur sie beide am Strand wären, ohne Kinder, die sich mit buntem Plastikspielzeug auf dem Laken breitmachten. Nachts griff sie verzweifelt nach Lev, um sich an ihm festzuhalten, aber er wachte selten auf, und wenn er es tat, beruhigte er sie mit geschlossenen Augen: »Sima, morgen früh. Dann reden wir.« Nachts, in ihrer Einsamkeit, litt sie, war wütend, gab sich die Schuld, wollte gehalten werden und schreckte gleichzeitig vor dem Gewicht seines Arms zurück.
Und immer die Angst: Er würde die Wahrheit herausfinden, er würde ihr Geheimnis entdecken und nichts mehr mit ihr zu tun haben wollen, sie hassen, wie sie es verdiente, gehasst zu werden.
Als sich die Enttäuschung über Monate hinstreckte, schien Lev ihr gequältes Atmen zu stören. Sima hörte, wie er sich nachts
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