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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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langweilig. In Frankreich, nach Marcel, hatte sie aufgehört, ihre Männer zu zählen. Sie erinnerte sich an vereinzelte Gesichter und Namen. Sie wußte, daß man ihr zwar eifrig den Hof gemacht, aber beim Abschied nicht nachgeweint hatte.
    Trotz seiner Größe wirkte das Haus in Mayfair überfüllt. In den unteren Räumen, in der Halle und auf den Treppen herrschte dichtes Gedränge. Viele der Frauen waren als Männer verkleidet: Sie trugen Smokingjacken und -hosen, hatten Gel im Haar, die Gesichter weiß und die Lippen blutrot geschminkt.
    Lallys Begleiter sah sich um und sagte dann zu ihr gewandt: »Du hast dich nicht verkleidet. Dabei hättest du als Mann umwerfend ausgesehen.«
    Lally nahm einen Cocktail, der ihr angeboten wurde. Sie konnte Kostümfeste nicht ausstehen, sie zog lieber ihre gewohnten Kleider an. Schwarz oder dunkle Farben in feinen, schimmernden Seidenstoffen. Das hatte ihr Marcel beigebracht, und obwohl sie in Frankreich abgenommen hatte, sah sie sich selbst immer noch als pummeliges Schulmädchen.
    Â»Ich verkleide mich nicht gern. Hast du eine Zigarette, Pip?«
    Ihr Begleiter öffnete sein Zigarettenetui. Auf einer Seite steckten Virginia, auf der anderen türkische Zigaretten. Lally nahm eine von den türkischen. Sie schlenderten durchs Haus. In dem großen Hinterzimmer spielte eine Jazzband: fünf Musiker mit ebenholzschwarzer Haut. Der Raum öffnete sich zu einem Wintergarten, wo hohe Geranienbüsche eine Wand überwucherten. Es lag ein schwerer, süßlicher Duft in der Luft, den Lally von den Pflanzen des Wintergartens in Drakesden nicht kannte.
    Â»Willst du tanzen?« fragte ihr Begleiter.
    Der Raum war dicht mit Tanzenden gefüllt. Arme und Beine wurden herumgeschleudert, lange Ketten schwangen herum, Schweiß glänzte auf angestrengten Gesichtern.
    Â»Ich glaube nicht.«
    Â»Dann noch einen Drink?«
    Lally beobachtete, wie er in der Menge verschwand. Noch einmal ließ sie den Blick über die Gäste schweifen und ging dann in den Wintergarten.
    Im Wintergarten war es kühl und dunkel. Jemand hatte die breite Doppeltür geöffnet und ließ die kalte Herbstluft ein. »Die Orchideen werden eingehen«, sagte Lally laut und pflückte eine der Blüten vom Stengel. Sie war hellgrün mit einem Hauch von Karmesin im geöffneten Kelch. Sie steckte sie mit der Diamantspange ins Haar, die Marcel ihr geschenkt hatte. Als sie im Fenster ihr Spiegelbild betrachtete, gefiel sie sich mit einemmal. Das dunkle Haar, die dunklen schrägen Augen, die weiße Haut, dazu die giftig grüne Blume, die einzige leuchtende Farbe an ihr. Lally lächelte. Dann sah sie das Paar im Garten.
    Es stand am Brunnen und küßte sich. Sie sah die beiden Smokingjacken, die beiden hohen weißen Kragen, die glatten, dunklen Köpfe. Sie glichen sich wie ein Ei dem anderen. Dann bemerkte sie, daß es zwei Frauen waren, und beobachtete sie eine Weile fasziniert. Scharlachrote Lippen auf scharlachroten Lippen, eine schlanke weiße Hand, die einen ähnlich schlanken weißen Hals streichelte.
    Als sie den Blick schließlich wieder abwandte, entdeckte sie im Gewirr der Tanzenden Nicholas und Thomasine.
    Es hatte keine Gelegenheit gegeben, den Streit beizulegen, weil Simon und Tiny eingetroffen waren, während Thomasine ihr Bad nahm, und dann waren sie gemeinsam in Nicholas’ Wagen nach Mayfair gefahren. Zudem war sie immer noch zu wütend, um mit Nicholas zu sprechen.
    Die erste Person, die sie auf der Party entdeckte, war Lally Blythe. Thomasine hätte sie beinahe nicht erkannt. Sie war nicht mehr das pummelige Schulmädchen, sondern ein elfenhaftes, in dunkles Rot gekleidetes Wesen mit einer limonengrünen Blüte im Haar. Lally winkte ihnen zu, kämpfte sich dann durch die Tanzenden hindurch und hauchte Thomasine und Nicholas einen flüchtigen, blytheartigen Kuß auf die Wange. Thomasine entging jedoch die Freude in Lallys Augen nicht, als sie Nicholas ansah.
    Â»Das ist Tiny, und das ist Simon«, sagte Nicholas. »Darf ich euch meine jüngere Schwester Lally vorstellen?«
    Â»Wie schön, dich zu sehen, Lally. Seit wann bist du aus Frankreich zurück?« fragte Thomasine.
    Â»Ach – seit ein oder zwei Wochen. Ist es nicht herrlich hier? Im Garten sind zwei Frauen, die sich küssen . Entsetzlich dekadent.«
    Thomasine sah an ihrem Chiffonkleid hinab. »Ich wußte

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