Die geheimen Jahre
wieder der Schuljunge hätte sein können, der seine schweren Bücher auf dem Rücken trug.
Das Cottage jedoch war verändert. Die Hintertür war aus den Angeln gerissen, und die Fensterrahmen waren verfault und zerbrochen. Der Anbau, in dem sich die Schmiede befunden hatte, war eingestürzt, vielleicht vom Sturm umgerissen worden. Der kleine Acker war mit Unkraut überwuchert, die Schuppen in schlechtem Zustand. Aber Daniel bückte sich, hob eine Handvoll der guten, dunklen Erde der Fens auf und lieà sie durch die Finger rieseln. »Meine«, flüsterte er. »Die gehört mir.« Weiche, fruchtbare Erde. Ihre Fruchtbarkeit verdankte sie der regelmäÃigen Ãberflutung â in dem flachen, tiefliegenden Land bestand immer Ãberschwemmungsgefahr. Es lag unter dem Meeresspiegel und wurde nur von einem vielfältigen System aus Deichen und Pumpen geschützt. Die Deiche lagen jetzt höher als die Felder, weil der Torf im Laufe der Jahrhunderte ausgetrocknet und geschrumpft war. Welche Erfindungsgabe, dachte Daniel, aus einem so unwirtlichen Land so viel herauszuholen. Was lieÃe sich hier alles machen, wenn man auch Wasser und Sturm abhalten könnte.
Dann richtete er sich auf und entdeckte es. Das Schild eines Verkaufsmaklers, das zwischen dem Acker der Gillorys und dem Deich stand. Auf dem Land von Drakesden Abbey. »Blythe-Land«, flüsterte Daniel laut.
»Zum Verkauf« stand auf dem Schild.
An dem Tag, an dem Daniel die Antwort auf seinen Brief an den Makler in Ely erhielt, stattete er Hattie in Bethnal Green einen Besuch ab. Ganz wie erwartet, freute sich Hattie, ihm helfen zu können. Sie saÃen zusammen in der Bar des George and Dragon, Daniel mit einem Whisky, Hattie mit einem Glas Portwein mit Zitrone.
»Wieviel Land ist es denn?« fragte Hattie, nachdem ihr Daniel seine Lage erklärt hatte.
»Sechs Hektar. Heute morgen bekam ich den Brief vom Makler. Mit dem Land meiner Mutter sind es knapp siebeneinhalb. Es ist nicht viel, aber für den Anfang wirdâs reichen. Es ist gutes, fruchtbares Land â und wir hätten genug, um davon zu leben und ein biÃchen was auf dem Markt zu verkaufen. Und es ist billig, Hattie â die Bodenpreise sind nach dem Krieg in den Keller gefallen.«
Hattie, der nichts entging, fragte: » Wir? Wer ist wir , Danny?«
Der kleine Raum war überfüllt und überheizt. Daniel versuchte, sich Fay in den Fens vorzustellen, Arm in Arm mit ihm unter dem weiten Himmel.
»Da gibtâs ein Mädchen, mit dem ich mich treffe. Sie heiÃt Fay.«
Hattie nickte bedächtig. »Das hab ich mir gedacht. In letzter Zeit hab ich dich nicht oft zu Gesicht bekommen, Danny.« Sie sah ihn eindringlicher an. »Wir können nach drauÃen gehen, wenn du willst, mein Lieber. Am Freitagabend ist es hier immer ein biÃchen eng.«
Er schüttelte den Kopf. Er hatte ihr nie von seiner Klaustrophobie erzählt, von seiner Abneigung gegen Menschenmengen, aber sie hatte es erraten.
»Ich muà bald gehen. Ich wollte nur wissen, was du davon hältst, Hat. Es würde eine Weile dauern, aber ich schätze, in zwei Jahren könnte ich dir das Geld zurückzahlen.«
Sie leerte ihr Glas. Ihre dicken, beringten Finger schlossen sich um Daniels Hand. »Das muà ich mir gar nicht überlegen. Es wäre das beste für dich, Danny. Du gehörst nicht hierher â das war schon immer so. Ich selbst halte das Landleben nicht aus â zu ruhig, nichts zu tun â, aber ich bin sicher, daà es für dich genau das richtige ist.«
Er stand auf, beugte sich hinunter und küÃte sie vor dem gesamten Personal und allen Gästen des George and Dragon auf den Mund.
»Liebe Hattie. Ich werde dich nicht enttäuschen.«
Sie lieà seine Hand nicht los. »Ist sie ein nettes Mädchen, Danny? Ist sie die Richtige für dich?«
Er dachte an Fay mit ihrem klaren Teint, den strahlenden Augen und dem dunklen, lockigen Haar und seufzte vor Sehnsucht leise auf.
»Ich bin sicher, daà sie das ist.«
Während der letzten Monate befürchtete Fay manchmal, daà sie sich verrechnet haben könnte. Daà sie Daniel zu oft zurückgewiesen, daà er die Sache satt und ihre Ausweichmanöver durchschaut hatte.
Im Lauf der vergangenen Wochen stand sie mehrmals kurz davor, ihm zu schreiben, hatte es aber gerade noch geschafft, sich zurückzuhalten.
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