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Die geheimen Jahre

Titel: Die geheimen Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Thomasine locker ein. »Keiner von uns wollte eine große Hochzeit. Und Nicholas bekam eine Menge Briefe von seiner Mutter. Sie scheint sich mit der Situation abgefunden zu haben.«
    Ihren letzten Satz glaubte sie selbst nicht ganz. Die Lady Blythe, die die kurzen und liebevollen Briefe geschrieben hatte, die Nicholas ihr manchmal zeigte, war mit der Lady Blythe, die Thomasine kannte, nicht in Einklang zu bringen. Sie sind auf Drakesden Abbey nicht willkommen, Miss Thorne. Sie werden nie wieder mit meinem Sohn sprechen .
    Â»Sie haben sich eine schlechte Zeit ausgesucht, um nach London zurückzukommen, Mrs. Blythe«, sagte jemand. »Im Januar ist natürlich alles völlig tot.«
    Â»Ganz ausgestorben an den Wochenenden. Alle sind auf dem Land.«
    Â»Zumindest muß man sich fürs Kino nicht anstellen.«
    Â»Entsetzlich langweilig.«
    Thomasine stellte ihr Glas ab. »Warum sind Sie dann alle hier?«
    Ein kleines dunkles Mädchen erwiderte lispelnd: »Etß war Tßimontß Idee. Wir machen die Wintertßachen im Tßommer und die Tßommertßachen im Winter. Datß macht einen Rietßentßpaß.«
    Â»Tiny meint«, erklärte Lavender Monkfield, »daß wir jetzt Tennis spielen und baden und im Sommer Hauspartys geben und jagen. Simon dachte, das wäre lustig.«
    Teddy Sefton blies einen Rauchring in die Luft. »Simon ist Kommunist, Mrs. Blythe«, erklärte er beiläufig. »Tod den untätigen Reichen, womit natürlich wir gemeint sind, und alle Macht der Arbeiterklasse. Bloß daß er hier keine Revolution in Gang bringt wie in Rußland, also macht er es langsamer, indem er uns zu Tode frieren läßt. Gestern sind wir in Brighton ins Wasser gesprungen. Verstehen Sie? Er ist ein sehr schlauer Bursche, dieser Simon.«
    Nach dem Restaurant gingen sie in den Frolics Club am Ende der Regent Street. Auf dem kurzen Fußweg glitzerte der Schnee im gelben Licht der Laternen und verlieh London einen Hauch von Magie und Zauber. Als sie den Nachtklub betraten, schlug ihnen eine Musik aus Klavier, Ukulele und Schlagzeug entgegen. Beim Blick auf die Gäste wurde Thomasine plötzlich sehr bewußt, in welche Klasse sie eingeheiratet hatte. Hier trugen die Frauen lange Ketten aus echten Perlen, keine Glasperlen, hier gab es keine selbstgeschneiderten Kleider, und niemand kümmerte sich darum, was ein Drink kostete.
    Eine Stimme sagte: »Sie sollten in Ihrem Element sein, Mrs. Blythe. Eine französische Ballettänzerin wie Sie sollte uns zeigen, wie man den Shimmy tanzt.«
    Sie grinste und nahm das Glas, das Teddy Sefton ihr reichte.
    Â»Tut mir leid, ich bin Engländerin, Mr. Sefton, keine Französin. Und ich war nie eine wirkliche Ballettänzerin. Genau gesagt, gehörte ich zu den Kleinen Schneeglöckchen. Wir haben diese typischen Kriegsaufführungen gemacht, müssen Sie wissen.«
    Â»Ich erinnere mich an eine Aufführung während meiner Lazarettzeit. Da hüpfte ein Dutzend dicker kleiner Mädchen herum, die als Spatzen verkleidet waren. Sie trugen braune Kreppkleider und gelbe Mützen, die die Schnäbel darstellen sollten, wie ich später bemerkte. Elf tanzten in die richtige Richtung, aber das zwölfte immer in die verkehrte. Ich hatte Fieber und dachte, ich würde halluzinieren. Es war köstlich! «
    Nicholas tanzte mit Tiny, Lavender Monkfield wirbelte mit fliegenden Ketten und flatternden Chiffonröcken ihren Verlobten herum. Der Nachtklub war laut und überfüllt. Kreischende Frauenstimmen übertönten die ausgelassene Musik, und Männer in tadellosen Smokings versprühten Champagner auf der Tanzfläche.
    Â»Die Kerle sind gar nicht so übel, wenn man sie näher kennenlernt«, sagte Teddy. »Es gibt natürlich ein paar Hallodris, aber die dienen der Zerstreuung, ist es nicht so, Mrs. Blythe?«
    Â»Thomasine«, erwiderte sie entschieden.
    Â»Thomasine.« Er lächelte. »Ich bin nie zuvor einer Thomasine begegnet. Nur in Büchern von Thomas Hardy. Und Sie müssen mich Teddy nennen. Oder Idiot oder Esel, wenn Sie wollen, genau wie alle anderen.«
    Die Band hatte wieder zu spielen begonnen. Sie sangen laut den Text mit:
    Ist auch die Speisekammer leer
    Wir haben Spaß!
    Und sind die Zeiten noch so schwer
    Wir haben dennoch Spaß .
    Es machte nichts, dachte Thomasine, daß sie vor ihrer Ehe nie eine echte Perlenkette

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