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Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman

Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman

Titel: Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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hatte.
    »Was für ein rührendes Liebeslied«, flüsterte Cassandra mir nach dem Ende der ersten Darbietung zu.
    »Es wäre noch rührender gewesen«, erwiderte ich leise,»wenn die Sängerin nicht so offensichtlich nur für sich gesungen hätte.«
    Als ich meine Blicke durch den Raum schweifen ließ, erspähte ich einige Reihen vor uns ein vertrautes Gesicht: Mrs. Jenkins. Ich wies Cassandra auf sie hin, und genau in diesem Augenblick drehte sich die Dame selbst zu uns um und entdeckte mich. Sie lächelte uns strahlend an und begann mit leiser, dringlicher Stimme mit der attraktiven, elegant gekleideten jungen Dame zu sprechen, die neben ihr saß.
    »Wer ist das Mädchen, mit dem sie redet?«, flüsterte Cassandra.
    »Ich weiß es nicht.«
    Das Geheimnis wurde gelüftet, als Mrs. Jenkins nach dem Konzert schnurstracks mit der jungen Dame durch die Menschenmenge auf uns zueilte und, sobald sie uns erreicht hatte, laut rief: »Hallo, meine Damen! Was für eine glückliche Fügung! Ich ahnte ja nicht, dass Sie noch in der Stadt weilen! Ich dachte, Sie wären längst aufs Land aufgebrochen, und ich wollte doch so gern, dass Sie meine Nichte kennenlernen. Miss Austen, Miss Jane, darf ich Ihnen Miss Isabella Churchill vorstellen?«
    »Angenehm«, sagte Isabella. Sie war eine schlanke junge Frau von vielleicht siebzehn Jahren, mittelgroß, mit dunklen, elegant arrangierten Locken, einem zarten Porzellanteint und braunen Augen, die uns mit einem recht hochmütigen Ausdruck musterten. Auf den ersten Blick schien sie der Inbegriff einer sorglosen jungen Frau zu sein, die im Leben keinerlei Schwierigkeiten zu überwinden hatte und an all die Bequemlichkeiten und Privilegien gewöhnt war, die Reichtum, Jugend und Schönheit boten.
    Wir tauschten höflich Nettigkeiten aus, wurden aber an jedem weiteren Gespräch gehindert, als Mrs. Jenkins fortfuhr. »Isabella war so enttäuscht, dass sie kürzlich durch eine Krankheit daran gehindert wurde, mit ihrem Bruder und seiner Frau in die Stadt zu kommen. Ich habe also darauf bestanden, dass sie, sobald ihre Gesundheit wieder hergestellt sei, allein hierher reisen sollte. Und was glauben Sie, kaum hatten wir uns von Charles und Maria verabschiedet, da erhielt ich schon einen Brief von Isabella: Es ginge ihr wieder prächtig und sie sei bereit, den Platz der beiden einzunehmen. Und hier ist sie nun! Was sagen Sie dazu? Ist sie nicht das hübscheste Mädchen, das Sie je gesehen haben?«
    Cassandra und ich stimmten ihr bereitwillig zu. Ich schaute zu Isabella und erwartete, dass sie erröten oder protestieren würde, aber sie tat nichts dergleichen. Sie kicherte nur und lächelte sittsam, als sei sie derlei überschwängliches Lob gewöhnt.
    »Meine liebe Schwester, die Mutter von Isabella und Charles ist vor nun schon vier Jahren verstorben und hat uns alle untröstlich hinterlassen, besonders Isabella«, meinte Mrs. Jenkins.
    Das Lächeln schwand daraufhin wie von Geisterhand aus Isabellas Gesicht, und sie gab sich größte Mühe, untröstlich zu erscheinen.
    »Es ist ein schweres Los, in so zartem Alter die Mutter zu verlieren«, fuhr Mrs. Jenkins fort. »Und da ich keine eigenen Kinder habe, habe ich nur zu gern die Aufgabe übernommen, ein wenig Trost zu spenden, wo immer ich konnte. Nun, ich glaube, Isabella und ich stehen uns heute sehr nah, beinahe wie Mutter und Tochter. Findest du nicht auch, Isabella?«
    »Wahrhaftig, das sehe ich auch so, Tante Jenkins«, antwortete Isabella mit höflichem Lächeln.
    »Meine Damen, Sie müssen sich einfach morgen zum Tee zu uns gesellen«, rief Mrs. Jenkins. »Dann können Sie einander besser kennenlernen. Es ist vielleicht das letzte Mal für lange, lange Zeit, dass ich Sie beide sehe! Da lasse ich kein Nein als Antwort gelten.«
    Wir hatten das Gefühl, dass uns keine andere Wahl blieb, und nahmen die Einladung dankend an.
    Am nächsten Nachmittag saßen wir, wie versprochen, in Mrs. Jenkins’ Salon um ihr Teeservice herum und warteten darauf, dass sich eine kleine Pause im begeisterten Wortschwall dieser Dame ergeben würde, sodass wir auch ein paar Worte beitragen könnten.
    »Hat Ihnen das Konzert gestern Abend gefallen, Miss Isabella?«, fragte ich, als Mrs. Jenkins kurz zwischen zwei Monologen pausierte, um etwas Tee zu trinken.
    »O ja, sehr gut«, antwortete Isabella.
    »Isabella liebt die Musik so sehr«, meinte Mrs. Jenkins. »Sie hat gerade wieder mit dem Klavierspielen angefangen. Ich nehme an, sie wird in kürzester Zeit

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