Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
stimmt. Ich hatte die Absicht, dass Edward so zurückhaltend sein sollte, weil er wusste, dass seine Mutter ihn enterben würde, wenn er eine Frau heiratete, mit der sie nicht einverstanden wäre. Aber je mehr ich über Elinor und Edward geschrieben habe, desto mehr denke ich, dass das als Hinderungsgrund nicht ausreicht. Ein Mann von Edwards Charakter und Prinzipien würde sich nicht um Geld scheren, und er würde niemals zulassen, dass seine Mutter die Wahl seiner Ehefrau diktiert. Um
wahre
Liebende auseinander zu halten, müsste der Grund meiner Meinung nach tiefer liegen. Aber was der Grund ist … was er sein könnte …« Zu meinem Entsetzen versagte mir nun die Stimme, und ich spürte, wie mir unerwartet Tränen in die Augen schossen.
Cassandra wandte sich zu mir, und in ihrem Blick war das Verständnis für den Schmerz abzulesen, der sich hinter meinen Worten verbarg. Sie legte zärtlich den Arm um mich und sagte: »Jane, Mr. Ashford hätte sich dir am Tag seiner Abreise erklärt, wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, da bin ich mir sicher. Nur die Ankunft der Churchills zur Unzeit hat ihn davon abgehalten.«
»Ich wünschte, ich könnte das glauben.«
Sie trat einen Schritt zurück, nahm meine Hände in die ihren und schaute mir ruhig in die Augen. »Er schien aufgeregt, nicht wahr? Und zerstreut, hast du gesagt?«
»Ja.«
»Genauso hat sich Tom verhalten, als er mir seinen Heiratsantrag gemacht hat. Mr. Ashford wollte um deine Hand anhalten, das verspreche ich dir.«
»Ich glaube es nicht. Wenn ich an unsere Unterhaltung zurückdenke, dann kann ich mich nur daran erinnern, dass in seiner Stimme und seinen Worten nichts von einem Liebhaber war.«
»Männer sind bei solchen Anlässen immer nervös, und oft fehlen ihnen die Worte. Hast du das nicht bemerkt, als Harris dir seinen Antrag gemacht hat?«
Ich nickte. »Aber Harris fehlten doch beinahe immer die Worte.«
»Aber für Mr. Ashford ist dieses Verhalten nicht typisch, oder?«
»Nein.«
»Siehst du! Die Umstände haben die Ereignisse nur verzögert. Du musst Geduld haben. Er wird dir schreiben. Er kommt uns in Chawton besuchen, und mit der Zeit wird alles gut.« Sie seufzte. »Und dann verlobst du dich und heiratest und ziehst auf ein großartiges Anwesen in Derbyshire, und ich … ich werde meine Jane, meine liebste Schwester und Gefährtin, verlieren und den Rest meiner Tage mit Mama und Martha verbringen. Dich sehe ich dann nur noch ein- oder zweimal im Jahr, wenn ich Glück habe.«
Sie schaute verloren drein, hatte aber ein so keckes Zwinkern in den Augen, dass ich einfach lachen musste. »So weit solltest du allerdings nicht vorausdenken, meine Liebe!«, sagte ich, und meine Lebensgeister erholten sich bereits wieder. »Wir brauchen bestimmt drei Monate, bis wir uns in Chawton eingerichtet haben. Und jetzt haben wir nur noch zehn Tage, um hier die Gesellschaft unserer Bekannten zu genießen. Also wollen wir das Beste daraus machen.«
An diesem Nachmittag nahmen wir eine Einladung unserer Nachbarn, Mr. und Mrs. Smith, zu einer kleinen musikalischen Gesellschaft am folgenden Abend an. Dieses Ereignis an sich wäre nicht sonderlich bemerkenswert, hätten sich nicht so schockierende Umstände daraus ergeben.
Da die meisten unserer Kleider bereits gepackt waren, mussten Cassandra und ich unsere zweitbesten Gewänder anziehen, meine Schwester also ein hübsches Kleid aus rosafarbenem Musselin und ich eines aus blau gepunktetem – ausgerechnet das Kleid, das ich auf unserem Ausflug nach Netley Abbey getragen hatte, überlegte ich beim Ankleiden mit leisem Bedauern.
Wir kamen bei den Smiths an, wurden freundlich begrüßt und ins Wohnzimmer geführt, wo man sämtliche Möbel durch Reihen von Stühlen ersetzt hatte. Zur festgelegten Zeit, als alle Gäste Platz genommen hatten, schritt eine elegant gekleidete Dame nach vorn und sang, begleitet von einem Pianoforte, einer Harfe und einem Cello, sehr hübsch beinahe eine Stunde lang.
Wie bei vielen solchen Gesellschaften bestand das Publikum aus einigen Zuhörern, die wirklich Geschmack an der Vorführung fanden, und wesentlich mehr Menschen, die dafür gar nichts übrig hatten. Ich war meiner Meinung nach gerade musikalisch genug, um echtes Vergnügen an dieser Veranstaltung zu finden. Allerdings wurde meine Freude ein wenig durch die arrogante Einstellung einiger Musiker getrübt, die zu glauben schienen, dass vor ihnen noch nie jemand in England vor einer privaten Gesellschaft gespielt
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