Die geheimen Memoiren der Jane Austen - Roman
gutes Auskommen, war jedoch nie verheiratet. Irgendetwas kann mit diesem Mann nicht stimmen, dass er so lange ungebunden geblieben ist.«
»Viele gute und bewundernswerte Männer ziehen es vor, sich erst später im Leben zu verheiraten«, meinte ich und versuchte, nicht an Mr. Ashford zu denken, den ich bis vor sehr kurzer Zeit noch voller Begeisterung in diese Kategorie eingeordnet hätte, an den ich jedoch nur nochvoller Verächtlichkeit denken konnte. »Du gehst kein Risiko ein, wenn du dort hinreist. Niemand kann dich zwingen, ihn zu heiraten.«
»Nein, aber ich werde seine Gesellschaft mindestens sieben Tage über mich ergehen lassen müssen. Wie viel angenehmer würde das sein, wenn du mit dabei wärest! Und dann die Reise selbst, denk doch nur, Jane!« Alethea klatschte verzückt in die Hände, und ihre Augen strahlten vor Begeisterung. »Was wir alles ansehen werden, was wir erleben werden! Oh, wie habe ich mich bisher vor dieser Reise gefürchtet – drei Wochen allein mit meinem alten Vater! Aber das muss nicht sein. Bitte, Jane, erspare mir dieses Schicksal, sonst verliere ich gewiss den Verstand!«
Eine so von Herzen kommende Bitte konnte ich natürlich nicht abschlagen. Ich war selbst sehr erpicht darauf, von Steventon fortzukommen, und der Gedanke an eine Reise mit meinen lieben Freunden reizte mich sehr. Außerdem interessierten mich die Orte, in denen wir unterwegs Halt machen würden, wirklich. Wenn ich auch ein anderes Reiseziel anstelle von Derbyshire vorgezogen hätte, so redete ich mir doch ein, diese Grafschaft sei schließlich groß genug. Es würde gewiss möglich sein, einen kurzen Besuch in einer der kleineren Ortschaften zu machen, ohne dass Mr. Ashford je etwas von meinem Aufenthalt erfahren würde.
Unsere Reise nach Norden verlief völlig ohne Zwischenfälle. Unterwegs besuchten wir so bezaubernde Orte wie Oxford, Blenheim, Warwick, Kenilworth und Birmingham. Wir genossen sie alle sehr, schauten uns dort die wichtigsten Sehenswürdigkeiten an und erfreuten uns andem im Allgemeinen guten Wetter. Der Squire war zwar bereits siebenundsechzig Jahre alt und nicht so rüstig wie mein Vater im gleichen Alter gewesen war (und er hatte zudem eine recht redselige und ernsthafte Natur), aber er begeisterte sich sehr für Architektur und die Natur und sorgte sich rührend und großzügig darum, dass wir unterwegs alle Annehmlichkeiten hatten. Er bestand darauf, dass wir in den Gasthöfen stets unsere eigene Speisenfolge auswählten. Und während wir in der Kutsche fuhren, saß er uns gegenüber und schnarchte, während Alethea und ich einen ständigen Strom fröhlichen Geplappers aufrechterhielten.
Alethea war so beschwingt und liebenswürdig wie immer, erfreute sich nur zu bereitwillig an allem, was sie sah und tat, lobte das, was sie bewunderte, und machte sich über das lustig, was sie absurd fand. Unsere täglichen Unterhaltungen bewirkten für meine Laune wahre Wunder. Schon bald waren alle Gedanken an meine Enttäuschungen der letzten Zeit, die mit einem gewissen Herrn zu tun hatten, in den hintersten Winkel meines Kopfes verbannt. Ich genoss jeden neuen Tag mit wachem, frohem Geist und einem fröhlichen Lachen.
Eines sonnigen Nachmittags gegen Ende der zweiten Woche unsrer Reise verkündete der Kutscher, während ich voller Entzücken auf die bewaldete Landschaft blickte, durch die wir fuhren, wir seien nun in der Grafschaft Derbyshire angelangt. Alethea wandte sich mir mit leisem Schaudern zu und murmelte: »Da sind wir also endlich. Hier werde ich nun bald den Wölfen zum Fraß vorgeworfen.«
Wie versprochen, wohnte der Cousin des Squire in einer sehr hübschen Gegend. Wir bogen von der Hauptstraße ineinen kleinen Weg ein, und schon bald kam das Pfarrhaus in Sicht. Das Haus selbst war ein bescheidenes Gebäude aus Ziegelsteinen, nicht übermäßig groß und von Rasenflächen und einer Rhododendronhecke umgeben. Unsere Kutsche hielt am Tor. Im Nu waren wir alle ausgestiegen und gingen über den kurzen Kiesweg zur Haustür, wo uns Mr. Morton empfing.
Der war ein großer, massig wirkender Mann von vierzig Jahren mit hellen, kleinen Augen in einem runden Gesicht und einem affektierten Lächeln, das eine Reihe sehr schiefer Zähne zum Vorschein brachte. Er war beinahe völlig kahlköpfig und hatte sich zum Ausgleich einige lange, dünne, sich leicht lockende braun-graue Strähnen über den Schädel nach vorne gekämmt.
»Willkommen, willkommen in meiner bescheidenen Behausung«,
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