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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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Schreibtisch nahm. »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich rauche, Mademoiselle?«
    Ich schüttelte den Kopf. Ich fühlte mich elend.
    Er zündete sich die Zigarre an, zog daran und inhalierte, dann blies er eine würzig duftende Rauchwolke ins Zimmer. »Erklären Sie mir eines: Was ist jetzt in Ihren Gedanken, was haben Sie jetzt auf dem Herzen, Mademoiselle? Außer den Aufsätzen, die Sie für mich schreiben, welche anderen Themen möchten Sie in Gedichten und Prosa erkunden? Welche Geschichten möchten Sie unbedingt erzählen?«
    »Keine, Monsieur.«
    »Das kann ich nicht glauben. Eine solche Leidenschaft für das Schreiben, wie Sie sie in Ihrer Jugend besaßen, vergeht doch nicht einfach von allein.«
    »Es war ein Steckenpferd, Monsieur, ein Steckenpferd, das ich inzwischen hinter mir gelassen habe.«
    »Und warum haben Sie mir diese Geschichten dann gezeigt?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Er schnaubte ungeduldig. »Sie sind weder zu mir noch zu sich selbst ehrlich, Mademoiselle. Sie haben mich um meine Meinung gebeten, und jetzt, da ich sie Ihnen gesagt habe und sie Ihnen nicht gefällt, werden Sie scharlachrot im Gesicht und verkriechen sich schüchtern, wie eine Maus sich in ihr Mäuseloch zurückziehen würde.«
    Er sprach die Wahrheit. Aber das konnte ich unmöglich zugeben. »Ich habe die Absicht, eine Schule zu leiten. Es ist die beste, die einzige Beschäftigung, die mir möglich ist.«
    »Nach allem, was ich höre, sind Sie eine gute Lehrerin. Aber wie gesagt, Unterrichten und Schreiben schließen einander nicht aus, sie sollten das auch nicht. Bei guter Zeiteinteilung kann man beides tun.« Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück und schaute mich an. »Wissen Sie, was ich in meiner Jugend werden wollte, Mademoiselle?«
    »Nein, Monsieur.«
    »Rechtsanwalt.«
    »Wirklich? Rechtsanwalt?« Ich war erstaunt.
    »Ich bin in Reichtum und Wohlstand aufgewachsen, mit sehr rosigen Zukunftsaussichten und dem Wissen, dass ich jede gewünschte Universität besuchen und jeden Beruf ergreifen könnte, den ich wollte. Dann lieh eines Tage mein Vater – er war Juwelier und ein sehr liebevoller und großzügiger Mann – einem in Not geratenen Freund einen großen Geldbetrag und verlor alles.«
    »Alles, Monsieur?«
    »Alles. Über Nacht waren all meine Aussichten zerstört. Ichwar ein junger Mann ohne Beruf, der nur schlecht aufs Leben vorbereitet war. Mein Vater schickte mich nach Paris, wo ich mein Glück machen sollte. Zunächst war ich als Schreiber eines Rechtsanwaltes tätig, und diese Einführung in die Welt des Rechts erregte mein großes Interesse. Doch ich hatte nun weder die Zeit noch das Geld, um einen solchen Beruf weiter in Erwägung zu ziehen. Also begann ich zu unterrichten. Das einzige Vergnügen, das ich mir in jener Zeit gönnte, war als bezahlter Claqueur in die
Comédie-Française
zu gehen. Meine Liebe zum Gerichtssaal und zur Bühne musste ich dann auf das Schulzimmer und das Studierzimmer beschränken.«
    Ich glaubte, nun sei eine mitfühlende Antwort angebracht. Doch stattdessen platzte ich heraus: »Vielleicht ist es selbstsüchtig von mir, Monsieur – aber ich kann Ihren Verlust nicht bedauern, da er doch mein Gewinn war.«
    Er lachte. »Das ist also Ihre Reaktion auf meine Leidensgeschichte?«
    »Es tut mir sehr leid. Ich fühle mit Ihnen. Bedauern Sie es, Monsieur? Dass Sie Ihren Traum aufgegeben haben?«
    »Nein, ich bin sehr glücklich mit allem, was ich habe. Was nutzt es, zurückzublicken und sich zu fragen, was hätte sein können? Aber was für mich stimmt, muss auf Sie nicht unbedingt zutreffen, Mademoiselle. Sie haben Ihre Laufbahn ja noch nicht begonnen. Ist das Unterrichten wirklich das, was Sie sich wünschen? Ein Leben als Lehrerin?«
    »Ich … ich weiß es nicht, Monsieur.«
    Er stand auf und kam um seinen Schreibtisch herum, blieb unmittelbar vor mir stehen, lehnte sich halb an den Schreibtisch, so dass seine Schuhe beinahe die meinen berührten und die dunklen Falten seines langen Paletots an den Rock meines schwarzen Kleids stießen und mit ihm verschmolzen. Da stand er rauchend und grübelnd, nur wenige Zoll von mirentfernt. Einen Augenblick lang war im Raum nur das Tick-Tack der Uhr auf dem Kaminsims zu vernehmen, das jedoch mit dem raschen Pochen meines Herzens kaum Schritt halten konnte. Endlich sagte er: »Ich habe Ihre frühen Geschichten gelesen. Ich bin mit Ihren heutigen Arbeiten bestens vertraut. Darf ich ehrlich zu Ihnen sein, Mademoiselle? Darf ich Ihnen meinen wahren

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