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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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deine Phantasie!«
    »Ja, daran ist viel Wahres«, erwiderte ich. Im Geiste fuhr ich mit dem Monolog fort: »Das ist also meine Antwort. Es reicht nicht, sich auf die bereits fertiggestellten Manuskripte als Eintrittsbillett zum Erfolg zu verlassen. Meine Schwestern mögen es halten, wie sie wollen. Aber wenn ich wirklich will, dass meine Werke eines Tages veröffentlicht werden, muss ich weiterschreiben. Ich muss ein anderes Buch anfangen, je eher, desto besser. Und welcher Zeitpunkt böte sich mehr an als der jetzige?«
    Worüber, fragte ich mich, sollte ich jedoch schreiben?
    Emily hatte behauptet, meinem Roman
Der Professor
fehle es an Ereignissen, er bilde nur die Oberfläche ab und ginge nicht in die Tiefe. Sie hatte mich dafür kritisiert, dass ich einen männlichen Erzähler verwendete, und meinen Stil leidenschafts- und seelenlos genannt. Vielleicht hatte Emily ja recht. Vielleicht war die Selbstbeherrschung, die ich mir mit solcher Entschlossenheit auferlegt hatte, seit ich Brüssel verlassen hatte, wirklich meinem Schreiben abträglich gewesen. Vielleicht wollten die Verleger und das lesende Publikum etwas, das ein wenig aufregender und wunderbarer und spannender war als die hausbackene Geschichte, die ich geschrieben hatte.
    Ich wanderte, tief in Gedanken versunken, im Zimmer auf und ab und versuchte, mir ein Thema für ein neues Buch auszudenken, aber mir kam nichts in den Kopf, das mir gefallenwollte. Schließlich ging die Sonne unter, und ich wurde gewahr, dass ich großen Hunger hatte. Ein wenig verärgert gab ich mein Nachdenken auf. Ich begab mich in die Küche, zündete eine Kerze an und versuchte etwas zu essen. Doch mein Zahnschmerz war so heftig, dass ich nur unter Qualen einige wenige Bissen von dem Brot und der Wurst zu mir nehmen konnte, die ich bei unserer Ankunft gekauft hatte. Ich schaute zu meinem Vater herein, der, wie mir die Krankenpflegerin versicherte, tief und fest schlief, und kehrte dann wieder zu meinen einsamen Grübeleien zurück.
    Es war beinahe Mitternacht. Hungrig, einsam und verdrossen blieb ich stehen und starrte aus dem Wohnzimmerfenster auf den strahlend hellen Mond und die funkelnden Sterne. Plötzlich wurde mir unheimlich zumute, und mir stockte der Atem. Es schien mir, als hätte ich schon einmal aus diesem Fenster gestarrt, als hätte ich die Empfindungen, die mich jetzt überkamen, irgendwann in der Vergangenheit schon einmal verspürt. Ich wusste, dass das unmöglich sein konnte. Ich hatte diese Wohnung noch nie zuvor betreten. Woher kam dann dieses merkwürdige Gefühl? Was schien mir an meinen gegenwärtigen, unangenehmen Umständen so seltsam vertraut zu sein?
    Plötzlich ahnte ich die Antwort. Ich war tatsächlich schon einmal an einem ähnlich seltsamen und einsamen Ort eingesperrt gewesen, wo ich ebenso ausgehungert und elend gewesen war. Ich hatte an einem Fenster gestanden, genau wie jetzt, und mit verzweifelter Sehnsucht in den Nachthimmel hinausgeschaut und mir gewünscht, der Mond könnte mich auf einem seiner Strahlen nach Hause, nach Haworth geleiten. Ich erinnerte mich daran, als wäre es gestern gewesen.
    Damals war ich acht Jahre alt und in der Schule für Pfarrerstöchter eingesperrt.
     
    Als Papa mich im August 1824 auf die Schule für Pfarrerstöchter in Cowan Bridge brachte, konnte er nicht ahnen, welche Schrecken mich und meine Schwestern dort erwarteten und welche verheerenden Auswirkungen diese Schulzeit auf unsere gesamte Familie haben würde. Im Gegenteil, er sah es als eine günstige Fügung des Schicksals, dass er endlich eine Einrichtung gefunden hatte, wo alle seine Töchter für einen annehmbaren Preis lernen konnten; denn diese neue Schule, die für die Töchter evangelischer Pfarrer gegründet worden war, wurde von einigen der prominentesten Bürgern des Landes finanziell unterstützt, und daher waren die Gebühren recht niedrig.
    Meine Schwester Maria war zu jener Zeit zehn Jahre – nur zwei Jahre älter als ich –, doch mit ihrem wunderschönen, blassen Gesicht und ihrer zarten Wolke langen, dunklen Haars, ihrer hingebungsvollen Liebe zum Lernen und zu ihrer Familie und mit ihrem brillanten Verstand (sie konnte mit Papa mühelos über alle Tagesereignisse debattieren) war mir Maria stets als alt und weise erschienen und uns anderen zudem immer als Vorbild für gutes Benehmen dargestellt worden. Es war die siebenjährige Maria gewesen, die mich in den Armen gehalten hatte, als unsere Mutter starb. Es war Maria gewesen, die mich

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