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Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë

Titel: Die Geheimen Tagebücher Der Charlotte Brontë Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Syrie James
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Reitunfall in ihrer Kindheit zurückging. Aber da sie und alle anderen dies völlig zu übersehen schienen und es ihre Energie und ihre Beweglichkeit in keiner Weise einschränkte, vergaß ich das Hinken schon bald.
    Mary Anna warf einen bewundernden Blick auf Arthur, setzte sich dann neben mich auf das Sofa und nahm eine meiner Hände in die ihren. »Arthur ist mein Lieblingsvetter, schon seit ich ein ganz kleines Mädchen war. Als er mir schrieb, dass er heiraten und seine Braut hierherbringen würde, habe ich gesagt: ›Ich kann nicht zwei ganze Tage länger warten, bis die beiden nach Banagher kommen! Ich muss nach Dublin fahren!‹ Ich wollte die Gelegenheit haben, Sie vor dem restlichen Clan kennenzulernen, denn es gibt so viele Bells, dass ich fürchte, Sie sind unser schon ganz bald ziemlich überdrüssig und wollen nur noch fort.«
    »Ich bin sicher, das wird nicht geschehen«, antwortete ich mit einem Lächeln, »aber ich freue mich sehr, dass Sie gekommensind, Mary Anna, und ich bin dankbar für ein wenig weibliche Gesellschaft. Wie Sie sehen, sind entschieden zu viele Männer auf dieser Hochzeitsreise.«
    Darüber lachten alle. Das freundliche Wohlwollen begleitete uns für den Rest des Tages – ja, sogar die nächsten beiden Tage. Unsere kleine Gesellschaft von fünf Personen fuhr durch einen großen Teil der Stadt und besuchte viele der wichtigsten Sehenswürdigkeiten. Arthurs Bruder, sein Vetter und seine Cousine erwiesen sich auch bei näherer Bekanntschaft als so freundlich, höflich, gebildet und intelligent, dass ich mich sofort willkommen und zu Hause fühlte.
    Arthur kümmerte sich wie immer fürsorglich und beflissen um all meine Bedürfnisse und ließ nicht zu, dass wir uns zu viel anschauten, damit ich nicht ermüdete und sich meine Erkältung verschlimmerte. Und doch bestand eine unausgesprochene Distanz zwischen uns – eine Reserviertheit seinerseits, die wohl nur ich bemerkte –, und er vermied jegliche innige Vertrautheit, was mir sehr wehtat. Nach außen hin gab er sich begeistert und schien darauf zu brennen, mir seine alten Lieblingsplätze an der Universität zu zeigen, die er besucht hatte.
    Besonders beeindruckten mich das reich verzierte, im Stil der venezianischen Gotik errichtete Museum und die elegante, im klassizistischen Stil gehaltene Bibliothek des Trinity College. Als wir sie verließen, sagte ich nachdenklich: »Wenn nur diese heiligen Hallen der Gelehrsamkeit auch den Frauen offenstehen würden. Es gibt so viel zu lernen. Wie aufregend wäre es, eine solche Universität zu besuchen!«
    »Wenn es dir gestattet gewesen wäre, eine Universität zu besuchen, Charlotte«, erwiderte Arthur und reichte mir seinen Arm, »dann denke ich, hättest du jeden Beruf ergreifen können, nach dem dir der Sinn steht. Du bist selbst in deinen schwächsten Augenblicken gebildeter, talentierte und intelligenterals die meisten Männer in ihren wachsten Stunden, und du hast jetzt schon mehr erreicht als viele Männer in ihrem ganzen Leben.«
    Während er dies sprach, hatte er wieder ein wenig von dem alten Funkeln in den Augen. Ich spürte seine Bewunderung, und mein Herz hüpfte hoffnungsfroh. Vielleicht, überlegte ich, erholte sich sein verletzter Stolz, und die Nähe und Zuneigung kehrten wieder, die wir vor jenem schrecklichen Augenblick an Deck des Schiffes miteinander geteilt hatten. Doch als ich ihm meine stille Dankbarkeit ausdrückte, verschwand sein Lächeln und seine Züge verhärteten sich erneut.
     
    Am Freitag, dem 7. Juli, verabschiedeten wir uns von Mrs. Alan Nicholls und den Kindern. Alan begleitete die restliche Gesellschaft in der Bahn zum Zuhause der Familie Bell in Banagher. Erschöpfung, Aufregung und meine Erkältung hatten inzwischen ihren Tribut gefordert. Ich fühlte mich gar nicht gut, und mein Husten war sehr heftig geworden.
    Am Bahnhof von Birr (das, wie ich herausfinden sollte, ein bezauberndes kleines Marktstädtchen und ehemaliger Garnisonsstandort war und, wie man mir berichtete, bis auf die 1620er Jahre zurückging) wartete eine Droschke auf uns, die, nahm ich an, eigens für diesen Anlass gemietet war. Diese Vermutung erwies sich jedoch als irrig, als mich Arthur voller Stolz dem Kutscher vorstellte, einem älteren Mann, der schon über dreißig Jahre in den Diensten der Familie Bell stand und daher Arthur seit seiner Kindheit kannte. Der alte Mann (für den Arthur unverhohlen Respekt und Zuneigung an den Tag legte, die auch erwidert wurden) verneigte

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