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Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Die Geheimnisse Der Tinkerfarm

Titel: Die Geheimnisse Der Tinkerfarm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams , Deborah Beale
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wenigsten zu beeinträchtigen. Auch wenn die Farmbewohner sich manchmal über Gideon und seine selbstherrliche Art ärgerten, hatte er doch jedem Einzelnen von ihnen das Leben gerettet, und jetzt waren sie alle Teil der modernen Welt, ohne je in ihre heimische Umwelt zurückkehren oder beweisen zu können, dass sie wirklich hierher gehörten.
    Die Verantwortung war erdrückend, und Lucinda beschloss, dass sie fürs erste nicht groß darüber nachdenken wollte. Dafür war später noch genug Zeit, wenn sie Tyler alles erzählt hatte. Jetzt brauchte sie dringend eine Ablenkung und lief die letzten Meter zum Reptilienstall.
    Sie hielt sich nirgends auf, sondern ging durch in den hinteren Teil des düsteren Stalls, der die Drachen beherbergte. Sie |69| waren keineswegs seine einzigen exotischen Bewohner, aber fliegende Schlangen und Gift spuckende Basilisken interessierten Lucinda nicht besonders.
    Riesig wie ein Verkehrsflugzeug im Hangar lag Meseret in ihrem Gehege auf der Seite und beobachtete mit einem halb geöffneten feurigen Auge, wie Lucinda sich näherte. Das Drachenjunge war ein Stückchen weiter in einem eigenen Gehege angegurtet. Als er Lucinda erblickte, winkte der kleine Haneb auf seine übliche schüchterne Art, sah dabei aber nur kurz auf, als könnte er sich nur schweren Herzens vom Drachenkotschaufeln losreißen. Ausgewachsene Drachen wie Meseret aßen nicht sehr häufig, aber wenn, dann produzierten sie anschließend einen Haufen von der Größe eines Sportwagens. Haneb hatte ein Tuch vor dem Gesicht, während er die übelriechende schwarzgrüne Masse in eine Schubkarre schippte. Gideon hatte ihr erzählt, dass richtig behandelter Drachenkot einen hervorragenden Dünger abgab und sogar auf den Gemüsebeeten der Farm ausgebracht wurde. So genau hatte Lucinda das eigentlich gar nicht wissen wollen, und hinterher hatte sie tagelang kein Gemüse mehr gegessen.
    Auf der Tinkerfarm hat sogar der Salat Geheimnisse!
    Sie schob ihre Sorgen über das belauschte Gespräch zwischen Mrs. Needle und ihrem Großonkel beiseite.
Hallo, Meseret,
dachte sie.
Kannst du mich hören? Kennst du mich noch?
    Das goldene Auge starrte, blinzelte träge, starrte.
    Lucinda versuchte, sich darauf zu besinnen, wie es gewesen war, als sie sich der Drachin zum ersten Mal verständlich gemacht hatte – als sie und das große Tier zum ersten Mal Gedanken ausgetauscht hatten.
Ich bin auf dir geritten, weißt du noch?
Wobei »geritten« natürlich etwas übertrieben war – »ich habe mich verzweifelt an dich geklammert« traf es eher.
Ich habe geholfen, dir dein Ei wiederzuholen, erinnerst du dich?
Lucinda |70| blickte kurz zur Seite, wo Desta eingerollt auf Sand und Heu lag.
Ich habe geholfen, deine Tochter wiederzuholen.
    Meserets riesiges gelbes Auge blinzelte wieder, dann schloss es sich und blieb zu. Mit der Drachin würde kein Gespräch zustande kommen, das war klar, aber ob sie einfach nicht wollte oder ob Lucinda die Drachensprache verlernt hatte, war nicht zu erkennen. Lucinda zuckte die Achseln und begab sich zu Destas viel kleinerem Käfig.
    »Nicht so dicht, Miss«, rief Haneb, der gerade mit der Schubkarre vorbeiging. »Nicht vergessen, was mit Master Colin passiert.«
    Das vergesse ich gewiss nicht,
dachte sie.
Es war ja meine Schuld.
»Ich pass schon auf. Die würden mir beide nichts tun, Haneb.«
    So was nannte man »Wunschdenken«, und das wusste sie so gut wie Haneb. Dennoch nickte ihr der kleine Mann schüchtern zu und ging weiter. »Einfach … aufpassen bitte, Miss.«
    Sie wandte sich der kleinen Drachin zu, die sie mit demselben Ausdruck von Desinteresse beobachtete, den ihre Mutter gezeigt hatte. »Hallo, Desta«, sagte sie sowohl mit dem Mund als auch in Gedanken. Sie dachte an den Tag zurück, an dem das Drachenbaby zur Welt gekommen war. Wie aufgeregt waren alle gewesen, als es sich durch sein lederiges Ei gepickt hatte! Sie versuchte, die Erinnerungen in klare Bilder zu fassen, damit Desta sie »sehen« konnte, aber die kleine Drachin ließ sich nicht anmerken, ob sie das wahrnahm.

    Lucinda setzte ihre Bemühungen fast eine Stunde lang fort und redete mit Gedanken wie mit Worten. Sie versuchte alles, was ihr einfiel, und machte sich zu jedem fehlgeschlagenen Versuch Notizen, aber es war so, als stünde sie in einem leeren |71| Zimmer und riefe etwas: Bis auf das Echo kam nichts zurück. Die Drachen schienen sie vorsätzlich zu ignorieren. Schließlich gab sie es auf. Sie stand am Geländer vor Destas Käfig

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