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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Tenner
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ihrer Schwester in Westberlin und deren Großzügigkeit verfügte sie stets über kleinere Beträge der so begehrten Devisen. Ich gab ihr einen Kuss auf die Wange. Es roch wie immer nach Kirschkuchen und ein wenig nach Franzbranntwein, ihrem Allheilmittel gegen Rheuma, Gicht und andere körperliche Probleme. Ich versprach ihr, am Wochenende mit Monique wieder vorbei zu kommen, um die leckeren Pfannkuchen, die sie so meisterlich backen konnte, zu kosten. Außerdem verpflichtete ich mich, das anstrengende Schneeschieben vor der Garteneinfahrt zu übernehmen, solange das Studium in Leipzig ruhte.
    Die Türsteher hatten keine Vorurteile bezüglich Hautfarbe, Religion oder Nationalität. Nachdem ich meinen Schein gezückt und dem Einmeterneunzigmann vor mir in die Hand gedrückt hatte, wurden wir zusammen mit einer Traube Bauarbeiter aus Jugoslawien, die in Westberlin arbeiteten und sich im Ostteil der Stadt billig amüsieren wollten, in den Vorraum geschoben. Wir gaben unsere Garderobe ab und stiefelten voller Neugierde die Treppe zum großen Bar- und Tanzbereich hoch. Ich hatte die Bar nach der damaligen Abfuhr nie wieder versucht zu betreten. Ich hatte also ein Erlebnis, das neu für mich war. Die Enttäuschung war groß. Eine Band aus Bulgarien spielte Titel der Beatles und Bee Gees, zumindest gab es eine gewisse Ähnlichkeit mit Titeln dieser Bands. Das „Massachusetts“ klang wie ein Ferienort an der Schwarzmeerküste. Es schien mir, als ob ich den ersten Auftritt einer türkischen Volksmusikgruppe in der Öffentlichkeit miterleben würde.
    Wir hatten Mühe, beim Tanzen nicht ständig aus dem Takt zu kommen. Den vielen türkischen, osteuropäischen und arabischen Gästen bereitete die Musik aber offensichtlich Freude. Über Geschmack lässt sich eben nicht streiten.
    Vor allem als nach den drei Poptiteln westlichen Ursprungs, vier osteuropäische Lieder gespielt wurden, gerieten die meisten Gäste schier aus dem Häuschen. Es gab ein staatlich vorgegebenes Quotensystem von sechzig zu vierzig, nur vierzig Prozent aller bei einer offiziellen Veranstaltung gespielten Titel durften westlicher Herkunft sein, die anderen mussten aus der Feder einheimischer Komponisten oder der von Musikern der sozialistischen Bruderländer stammen. Nach den ersten zwei osteuropäischen Titeln gaben wir unsere Tanzbemühungen auf der völlig überfüllten Tanzfläche auf und setzten uns lieber an den uns angewiesenen Tisch, an dem noch vier weitere, alles männliche Gäste saßen, vermutlich aus dem arabischen Raum. Als ich die Getränkekarte studierte, konnte ich es nicht glauben, es gab nicht einen einzigen vernünftigen Weiß- oder Rotwein im Angebot. Ich hatte mich im Laufe der Jahre zu einem Liebhaber guter Weine entwickelt und meinen Geschmack und Gaumen des Jahres 2008 die dreißig Jahre mit zurückgenommen. Mir wurde klar, was mir für ein Opfer bevorstand - bis zur Wende würde ich kaum einen Wein trinken dürfen, der diesen Namen verdiente. Es gab in der Dresdner und Meißner Anbauregion einige akzeptable Weingüter, die auch einen durchaus trinkbaren Weißwein und auch guten Sekt produzierten, allerdings lag der Ausstoß im unteren siebenstelligen Bereich pro Ernte und die produzierten Flaschen wurden an die ausländischen Botschaften, an die Interhotels und an einige staatliche Dienststellen geliefert. Der Normalbürger ging leer aus, war aber in der Regel zufrieden, wenn er einen bulgarischen „Rosenthaler Kadaker“ oder einen rumänischen „Cotnari“ erwerben konnte. Auch ich war ein solcher Normalbürger, hatte den süßen „Cotnari“ als trinkbar empfunden.
    Vor dreißig Jahren. Das war jetzt unmöglich, man konnte von einem bestimmten Punkt nicht mehr zurück und dies hatte nichts mit Unbescheidenheit zu tun. Ich wusste beim besten Willen nicht, was ich bestellen sollte. Lauter Weine von minderer Qualität und dies bei Preisen, die bei fünfzehn Mark begannen. Monique wertete mein Zögern als Unsicherheit. „Sind die Preise zu hoch?, dann lass uns gehen, so gemütlich finde ich es ohnehin nicht.“
    Toll, zwanzig Deutsche Mark in den Sand gesetzt, dachte ich. „Ich hatte andere Vorstellungen von der Bar und der Atmosphäre und der Musik und dem Getränkeangebot. Die Beatles würden ihre eigene Musik nicht erkennen, wie sie dies hören würden.“ Ich deutete auf die Band. „Und du hast recht, es ist nicht sehr gemütlich, ich hatte immer solche Erwartungen an diese Bar und diesen Abend. Und dann dies hier. Tut

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