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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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auf, und ein undefinier-
    barer, unangenehmer und betäubender Geruch von
    Kampfgas und verbranntem Fleisch schwebte über dem
    Viertel.
    Auf dem Höhepunkt des Gefechts hatte David To-
    land wie durch ein Wunder zu seinen Reflexen zurück-
    gefunden und sich einem unglaublichen Kampf gestellt.
    Mit außergewöhnlichem Einsatz und großer Verbissen-
    heit hatte er die leblosen Körper zerlegt, die ihm von
    Milan und den Geiern geliefert wurden. Natürlich wa-
    ren der Studebaker und der Chevrolet Research bald
    überfüllt, und auf Milans Anfrage hin schickte Steve
    Odds beinahe alle verfügbaren Wagen an die Unfallstel-
    le.
    Der junge, ganz aufgeregte Gayle, der Toland assi-
    stieren sollte, war sehr schnell überfordert und konnte
    dem rasenden Rhythmus des Sammlers nicht mehr fol-
    gen. Deshalb mußte David mehr als die Hälfte der Ein-
    griffe selbst vornehmen, wobei er kein Wort sprach und
    seine Angst und seine Zweifel in diesem makabren Ma-
    rathon rasch vergaß. Im Morgengrauen waren alle Kon-
    servierungsbehälter gefüllt, kein brauchbarer Toter war
    Tolands Skalpell entgangen.
    Völlig verdreckt, mit blutverschmiertem Gesicht und
    vom Rauch geröteten Augen ließ Toland sich auf dem
    Trittbrett des Studebakers nieder. Das Skalpell glitt ihm
    aus der Hand und fiel zwischen seine Füße auf den
    Asphalt.
    Gayle hockte ihm genau gegenüber im Gras und
    starrte ihn gleichzeitig voller Bestürzung und voller Be-
    wunderung an. Natürlich kannte er Tolands Ruf schon,
    ehe dieser der Z.S. A. beitrat, aber nie zuvor hatte er sich vorstellen können, daß ein Mann derart viele Organe
    mit derartiger Präzision und Schnelligkeit entnehmen
    konnte. Tolands Können war wirklich verwirrend, fast
    sogar beschämend. Auf diesem Gebiet war Perfektion
    nicht erwünscht. Diesen Beruf mußte man wirklich lie-
    ben, um es zu solchem Können, zu solch außerordentli-
    chen Leistungen zu bringen.
    Weiter hinten saß Goldman auf einer steinernen
    Bank, hielt sich den Kopf mit beiden Händen und
    schien zu schlafen. Seit einer Viertelstunde hatte er sich nicht mehr gerührt. Für ihn würde diese Nacht auf ewig
    mit dem Stempel des Alptraums geschlagen bleiben.
    Dann tauchte Milan auf. Er trug immer noch seine
    Gasmaske. Die rechte Schulter seiner Uniform war zer-
    rissen, und der linke Knöchel war mit bereits getrockne-
    tem Blut besudelt. Etwas unterhalb des Knies trug er
    eine Abschnürbinde, und er humpelte leicht.
    Er pflanzte sich vor Toland auf und riß sich die Maske
    vom Gesicht. Er lachte.
    »Ich glaube, wir haben es geschaft, du und ich!« grin-
    ste er. »Wir beide werden ein fabelhaftes Team abge-
    ben!«
    Er versetzte Toland einen Schlag gegen die Schulter,
    der ihm beinahe den Arm ausrenkte und ihn fast zu Bo-
    den geworfen hätte. Schwankend hob der Sammler sein
    Skalpell auf und stellte sich vor Milan. Seine Augen
    funkelten vor Wut.
    »Wenn ich den Kerl erwische, der den Mann vom
    Dach geschossen hat«, schrie er mit heiserer Stimme,
    »werde ich ihn Zentimeter für Zentimeter, Stück für
    Stück zerschneiden, bis er seine eigene Mutter ver-
    flucht, ihn auf die Welt gesetzt zu haben!«
    Lange starrten die beiden Männer sich an. Die Klinge
    des Skalpells warf wirre Schatten auf Milans Gesicht.
    »Einer dieser verfluchten Bullen muß die Nerven ver-
    loren haben«, murmelte Milan gelassen.
    David blieb mißtrauisch, zweifelnd.
    »Glaub ich nicht!« knurrte er wütend.
    Wie die Kralle eines Reptils schnellte Milans Hand vor
    und packte David am Handgelenk. Er näherte sich sei-
    nem Gesicht. Fast berührten sich ihre Lippen.
    »Wag es nicht, mich zu bedrohen, Toland!« zischte
    Milan. »Nie! Steck schon deine Prämien ein und halt's
    Maul!«
    Ein letztes Mal las der Anwalt die Spalte durch, in der
    über Mustapha Moussis gewaltsamen Tod berichtet
    wurde. Der Stil des Journalisten zeugte von eisiger, bei-
    nahe ärgerlicher Gleichgültigkeit. Der Artikel endete
    mit der nur ungenau formulierten Hypothese eines ras-
    sistischen Verbrechens. Moussi war auf offener Straße
    die Kehle durchgeschnitten worden, doch es meldete
    sich kein einziger Zeuge, der bereit war, auch nur ein
    Wort über den Mörder auszusagen.
    Der Anwalt legte seine Zeitung beiseite, fuhr sich mit
    der Zunge über die trockenen Lippen und erhob sich
    aus seinem Sessel. Er stellte sich vor die hintere Wand
    seines Büros und schob eine kunstvoll gearbeitete
    Holzplatte auf, hinter der sich ein gewaltiger Tresor be-
    fand. Aus Erfahrung wußte

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