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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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er, daß man es eventuellen
    Einbrechern nicht zu leicht machen durfte, indem man
    während allzulanger Zeit dieselbe Zahlenkombination
    benutzte. Die Rippen stumpften ab, und mit einem einfa-
    chen Stethoskop konnte man die abgenutzten Tiegel lo-
    kalisieren, die ein eindeutig dumpferes Klicken von sich
    gaben, wenn der Bolzen sie streifte. Um diesem Pro-
    blem zuvorzukommen, änderte der Anwalt seine Zah-
    lenkombination monatlich. Nachdem er den Schlüssel
    eingeführt hatte, drehte er ungeduldig an den beiden
    Kreuzen, drückte den Griff nach unten und zog mit aller
    Kraft an der Eisentür. Der Tresor wollte sich nicht öff-
    nen.
    Der Anwalt fluchte leise, ging mit großen Schritten an
    seinen Schreibtisch zurück, blätterte aufmerksam in
    seinem Terminkalender, stellte mit Erleichterung seinen
    Irrtum fest. Eine sehr häufig anzutreffende unange-
    nehme Begleiterscheinung eines verhältnismäßig kom-
    plizierten mnemotechnischen Systems. Seltsamerweise
    jedoch beruhigte ihn diese Schwierigkeit jedesmal,
    wenn sie auftauchte.
    Er ging zum Tresor zurück, der sich nun problemlos
    öffnen ließ. Er griff nach einem dicken Aktenordner,
    den er in einen gepolsterten Umschlag steckte, auf den
    er mit einem schwarzen Filzstift den Namen von David
    Toland schrieb.
    Dann suchte er im elektronischen Telefonbuch nach
    der Adresse des Sammlers und schrieb auch diese auf
    den Umschlag. Er verschloß das Dokument mit einem
    Kunststoffclip und legte es in das Fach seiner Sekretä-
    rin. Was weiter damit geschehen würde, ging ihn nichts
    mehr an.

Sechsundzwanzigstes Kapitel
    Die Villa war wie in einem Rausch. Zwischen dem abge-
    sperrten Wohnzimmer und Pamelas Schlafzimmer im
    ersten Stock, wo eine unheimliche, irgendwie feierliche
    Stille herrschte, liefen todmüde Gestalten umher wie
    Blinde durch ein auswegloses Labyrinth.
    Der übermäßige Genuß von Amphetaminen gab
    Zorski ein nicht zu unterdrückendes Verlangen nach ei-
    nem schweren alkoholischen Getränk, und als er seinen
    dritten Southern Comfort austrank, hörte er, wie Alex-
    ander Sirchos' Lincoln Continental auf dem Kiesweg
    der Hauptallee vorfuhr. Anschließend geriet das ganze
    Haus in noch größere Hysterie. Jeder schien sich für
    Pamelas Zustand verantwortlich zu fühlen. Nur Mark
    Zorski und Jimmy O'Neal, der Hausmeister, zeigten
    sich von der Ankunft des Milliardärs absolut nicht be-
    eindruckt.
    Russel, der dem berühmten Chirurgen gegenübersaß,
    war leichenblaß im Gesicht geworden. Bläuliche Schat-
    ten hoben sich von seiner fahlen Haut ab.
    »Hören Sie doch endlich mit diesen Selbstvorwürfen
    auf!« seufzte Zorski. »Sie trifft doch keine Schuld ...
    Diesmal haben Sie sie doch nicht operiert.«
    Mit völlig starren Augen schaute Hugo Russel seinen
    namhaften Kollegen an.
    »Das können Sie nicht verstehen«, murmelte er.
    Zorski verzog das Gesicht. Die Zeit der feingeistigen
    Komplimente war längst vorbei.
    »Scheren Sie sich zum Teufel!« entgegnete er und er-
    hob sich.
    Wütend stieß er seinen Stuhl zurück und zeigte dro-
    hend auf Russel.
    »Sie wären bestimmt ein hervorragender Chirurg,
    wenn Sie vor allem einmal lernen würden, das Leben zu
    genießen, statt sich mit dem Tod abzugeben! Ich glaub-
    te, Sirchos hätte sich trotz Ihrer Mißerfolge für Sie ent-
    schieden, weil Sie Angst vor ihm haben, weil Sie sich so
    sehr vor ihm fürchten, daß Sie bereit sind, Tag und
    Nacht am Krankenbett seiner Frau zu wachen. Ich
    glaubte diesen Unsinn, aber es war ein großer Bluff! In
    Wirklichkeit hat er Sie genommen, weil Sie total in Pa-
    mela verknallt sind! Weil Sie sie abgöttisch lieben!«
    In dem Moment betrat Jimmy O'Neal die Bibliothek.
    Wahrscheinlich hatte er diesen letzten Satz mitbekom-
    men. Russel war tief in seinem Sessel versunken.
    »Monsieur Sirchos erwartet Sie in seinem Büro«,
    sagte der Butler.
    Russel richtete sich auf.
    »Nein, nicht Sie«, entgegnete O'Neal mit gleichgülti-
    ger Stimme. »Nur Doktor Zorski.«
    Russel schrumpfte noch mehr in seinem Sessel zu-
    sammen. Er war in diesem Haus nur noch ein gewöhn-
    licher Diener, der es gewagt hatte, das Bettlaken seines
    Herrn und Vorgesetzten zu beschmutzen.
    Alexander Sirchos benutzte sein Büro in West Palm
    Beach nur sehr selten, aber dennoch glänzte das Zim-
    mer wie ein Diamant auf dem Meeresgrund. Allein das
    Büro nahm ein Viertel der obersten Etage ein und hätte
    problemlos in ein Dutzend geräumiger Studios ver-
    wandelt werden können. Die lackierten

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