Die Geier
er, daß man es eventuellen
Einbrechern nicht zu leicht machen durfte, indem man
während allzulanger Zeit dieselbe Zahlenkombination
benutzte. Die Rippen stumpften ab, und mit einem einfa-
chen Stethoskop konnte man die abgenutzten Tiegel lo-
kalisieren, die ein eindeutig dumpferes Klicken von sich
gaben, wenn der Bolzen sie streifte. Um diesem Pro-
blem zuvorzukommen, änderte der Anwalt seine Zah-
lenkombination monatlich. Nachdem er den Schlüssel
eingeführt hatte, drehte er ungeduldig an den beiden
Kreuzen, drückte den Griff nach unten und zog mit aller
Kraft an der Eisentür. Der Tresor wollte sich nicht öff-
nen.
Der Anwalt fluchte leise, ging mit großen Schritten an
seinen Schreibtisch zurück, blätterte aufmerksam in
seinem Terminkalender, stellte mit Erleichterung seinen
Irrtum fest. Eine sehr häufig anzutreffende unange-
nehme Begleiterscheinung eines verhältnismäßig kom-
plizierten mnemotechnischen Systems. Seltsamerweise
jedoch beruhigte ihn diese Schwierigkeit jedesmal,
wenn sie auftauchte.
Er ging zum Tresor zurück, der sich nun problemlos
öffnen ließ. Er griff nach einem dicken Aktenordner,
den er in einen gepolsterten Umschlag steckte, auf den
er mit einem schwarzen Filzstift den Namen von David
Toland schrieb.
Dann suchte er im elektronischen Telefonbuch nach
der Adresse des Sammlers und schrieb auch diese auf
den Umschlag. Er verschloß das Dokument mit einem
Kunststoffclip und legte es in das Fach seiner Sekretä-
rin. Was weiter damit geschehen würde, ging ihn nichts
mehr an.
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Die Villa war wie in einem Rausch. Zwischen dem abge-
sperrten Wohnzimmer und Pamelas Schlafzimmer im
ersten Stock, wo eine unheimliche, irgendwie feierliche
Stille herrschte, liefen todmüde Gestalten umher wie
Blinde durch ein auswegloses Labyrinth.
Der übermäßige Genuß von Amphetaminen gab
Zorski ein nicht zu unterdrückendes Verlangen nach ei-
nem schweren alkoholischen Getränk, und als er seinen
dritten Southern Comfort austrank, hörte er, wie Alex-
ander Sirchos' Lincoln Continental auf dem Kiesweg
der Hauptallee vorfuhr. Anschließend geriet das ganze
Haus in noch größere Hysterie. Jeder schien sich für
Pamelas Zustand verantwortlich zu fühlen. Nur Mark
Zorski und Jimmy O'Neal, der Hausmeister, zeigten
sich von der Ankunft des Milliardärs absolut nicht be-
eindruckt.
Russel, der dem berühmten Chirurgen gegenübersaß,
war leichenblaß im Gesicht geworden. Bläuliche Schat-
ten hoben sich von seiner fahlen Haut ab.
»Hören Sie doch endlich mit diesen Selbstvorwürfen
auf!« seufzte Zorski. »Sie trifft doch keine Schuld ...
Diesmal haben Sie sie doch nicht operiert.«
Mit völlig starren Augen schaute Hugo Russel seinen
namhaften Kollegen an.
»Das können Sie nicht verstehen«, murmelte er.
Zorski verzog das Gesicht. Die Zeit der feingeistigen
Komplimente war längst vorbei.
»Scheren Sie sich zum Teufel!« entgegnete er und er-
hob sich.
Wütend stieß er seinen Stuhl zurück und zeigte dro-
hend auf Russel.
»Sie wären bestimmt ein hervorragender Chirurg,
wenn Sie vor allem einmal lernen würden, das Leben zu
genießen, statt sich mit dem Tod abzugeben! Ich glaub-
te, Sirchos hätte sich trotz Ihrer Mißerfolge für Sie ent-
schieden, weil Sie Angst vor ihm haben, weil Sie sich so
sehr vor ihm fürchten, daß Sie bereit sind, Tag und
Nacht am Krankenbett seiner Frau zu wachen. Ich
glaubte diesen Unsinn, aber es war ein großer Bluff! In
Wirklichkeit hat er Sie genommen, weil Sie total in Pa-
mela verknallt sind! Weil Sie sie abgöttisch lieben!«
In dem Moment betrat Jimmy O'Neal die Bibliothek.
Wahrscheinlich hatte er diesen letzten Satz mitbekom-
men. Russel war tief in seinem Sessel versunken.
»Monsieur Sirchos erwartet Sie in seinem Büro«,
sagte der Butler.
Russel richtete sich auf.
»Nein, nicht Sie«, entgegnete O'Neal mit gleichgülti-
ger Stimme. »Nur Doktor Zorski.«
Russel schrumpfte noch mehr in seinem Sessel zu-
sammen. Er war in diesem Haus nur noch ein gewöhn-
licher Diener, der es gewagt hatte, das Bettlaken seines
Herrn und Vorgesetzten zu beschmutzen.
Alexander Sirchos benutzte sein Büro in West Palm
Beach nur sehr selten, aber dennoch glänzte das Zim-
mer wie ein Diamant auf dem Meeresgrund. Allein das
Büro nahm ein Viertel der obersten Etage ein und hätte
problemlos in ein Dutzend geräumiger Studios ver-
wandelt werden können. Die lackierten
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