Die Geier
Mund.
Nach drei Fehlschlägen, die Steve Odds jedesmal etwas
mehr außer Fassung brachten, antwortete die vierte
Apotheke endlich mit einem positiven Bescheid. In der
Tat, sie präparierte regelmäßig eine auf Antihistamini-
kum basierende injizierbare Lösung für eine Kundin
namens Giova Llorens. Odds nahm sogleich wieder
Fassung an. Der Apotheker betonte allerdings, daß er
Fräulein Llorens bislang noch nie zu Gesicht bekommen
habe und das Präparat jeden Freitag einem Mann aus-
gehändigt werde.
»Was soll diese Geschichte?« knurrte Odds verärgert.
Es war sinnlos, den Apotheker nach der Adresse des
Mädchens zu fragen. Heute war Freitag.
»Um wieviel Uhr kommt dieser Mann?« fragte Milan.
»Am späten Nachmittag«, antwortete der andere.
Milan warf rasch einen Blick auf seine Uhr, dankte
seinem Gesprächspartner und legte auf. Stumm beob-
achtete David Toland das Geschehen. Milan hatte ihm
ausführlichst erklärt, was es mit diesem an Leukämie
erkrankten Kind und der Entdeckung seines geneti-
schen Doppelgängers auf sich hatte. David, der sich an
Gaborits Mißtrauen gegenüber den besagten Plakaten
erinnerte, begnügte sich damit, Milan zuzuhören. Die
Eltern dieses kranken Kindes mußten verdammt reich
sein, um sich die Dienste der Z.S.A. leisten zu kön-
nen ... Auf alle Fälle schien dieser Schweinehund von
Steve Odds sich die Sache zu Herzen zu nehmen. Im
Moment verweilte der Sammler in abwartender Hal-
tung.
»Die Zeit reicht gerade noch, um hinzufahren«, er-
klärte Milan und erhob sich.
Tief enttäuscht betrat Loic Gaborit den Überwachungs-
raum im Saint-Louis-Flügel. Nachdem er bei seinem
Versuch, Giova Llorens wiederzufinden, kläglich ge-
scheitert war, mußte er eine weitere Niederlage einstek-
ken, als ihm bewußt wurde, daß die Z.S.A. ihm im letz-
ten Moment zuvorgekommen war. Toland hatte ihn
gewarnt. Nach seinen Informationen hatte Odds diese
Kampagne gestartet, um ein an Leukämie erkranktes
Kind zu retten; ein Unternehmen, das von Erfolg ge-
krönt war, da es auch ihm gelungen war, die Existenz
von Giova Llorens, der berüchtigten genetischen Dop-
pelgängerin, in Erfahrung zu bringen. Der Chirurg ver-
stand nicht, wie das Odds hatte gelingen können. Hier-
über hatte Toland ihn jedenfalls nicht unterrichten kön-
nen. Die letzte Hoffnung schwand dahin. Gaborit
würde weiterhin gedemütigt und schikaniert werden
und unerbittlich an Image verlieren, bis er schließlich
sogar gezwungen wäre, das Amerikanische Hospital zu
verlassen. So lautete das Gesetz des Stärkeren. Nun
war er zum Opfer geworden.
Vor der Verteilertafel hielt er inne und runzelte die
Stirn.
»In den Merrill-Saal ist niemand eingeliefert wor-
den?« wunderte er sich.
Ein wohlbeleibter Assistenzarzt stellte sich neben ihn.
»Nein, er ist für dich reserviert ...«
Gaborit zog die Augenbrauen hoch.
»Was heißt das?«
Der Assistenzarzt, der aus seiner Sympathie für den
Chirurgen nie einen Hehl gemacht hatte, war heiter ge-
launt.
»Man hat dich den ganzen Tag lang gesucht, um dir
die Nachricht mitzuteilen.«
»Welche Nachricht?« fragte Gaborit ungeduldig.
»Willst du dich vorher nicht lieber hinsetzen?«
Der Chirurg knurrte gereizt.
»Eine Herztransplantation steht dir bevor, mein
Freund«, erklärte der Assistenzarzt. »Und nicht irgend-
eine Transplantation! Du wirst die große Pamela Sirchos
operieren, und der weltberühmte Mark Zorski wird dir
dabei assistieren. Er hat dich dazu auserwählt wegen
deines hohen Prozentsatzes an erfolgreichen Eingriffen
und deiner Artikel über Herztransplantationen. Das
hast du allen jenen Unglücklichen zu verdanken, an de-
nen du herumgeschnippelt hast und die sich hoff-
nungslos am Leben festklammern. Nun, was sagst du
dazu?«
Gaborit war völlig sprachlos.
»Red doch keinen Blödsinn!« murmelte er.
Der Assistenzarzt nickte begeistert mit dem Kopf.
»Die Direktion wollte dich da raushalten, doch Zorski
bestand darauf. Noch in dieser Nacht oder spätestens
morgen werdet ihr beide die Operation durchführen.
Im Moment sitzen sie im Flugzeug. Die Herren aus der
Direktion und die Geier können dich mal, mein Freund!
Du gehörst zu den ganz Großen, zu den Unantastba-
ren!«
Gaborit schnaubte und streckte beide Arme von sich.
»Zorski ...«, seufzte er. »Gibt's denn das ... Aber das
ist doch völlig verrückt! Ich kenne nicht einmal die Akte
dieser ... öhh ...«
»Pamela Sirchos. Sobald
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