Die Geier
Arzt.
»Natürlich«, seufzte David. »Es ist ein wahres Ver-
gnügen, auf der Abteilung eines guten Freundes unter-
gebracht zu sein. Mein Gott, Loic, ich habe Hunger!«
Gaborit ließ sich auf der Bettkante nieder.
»Willst du eine umfassende Darstellung deines Zu-
standes hören?«
»Das wäre nett«, knurrte David.
Gaborit hob den Kopf.
»Als du vor zwei Wochen hierher gebracht wur-
dest ...«
Toland riß die Augen auf. Vor zwei Wochen?
»... hattest du ein Blutgerinnsel im Kopf und warst zu
drei Vierteln gelähmt. Du befandest dich in einem Zu-
stand, den wir als vigiles Koma bezeichnen. Dein Kör-
per und dein Gesicht waren vor lauter Blutergüssen
komplett geschwollen. Es ist mir gelungen, das Gerinn-
sel durch Laserstrahlen zu beseitigen, worauf du so-
gleich eine starke Gelbsucht bekamst. Diese Gelbsucht
war das erste Symptom einer akuten Urämie. Du konn-
test nicht mehr pinkeln. Nicht einen einzigen Tropfen!
Man hatte dich dem Tod entrissen, und du steuertest
wieder schnurstracks auf ihn zu, wie ein alter Nieren-
kranker. Alle meine Kollegen sprachen sich für eine so-
fortige Nierentransplantation aus. Wir hatten eine Niere
auf Lager, die dich hätte retten können . . . «
Gaborit grinste spöttisch.
» . . . eine von der Z.S.A. gelieferte Niere«, verdeut-
lichte er. »Ich war der Meinung, daß dieser Umstand
dich schneller in den Tod treiben würde als die Krank-
heit selbst, und so habe ich unsere guten Beziehungen
ausgenützt, um dir diese Schmach zu ersparen. Ich bin
also das Risiko eingegangen und habe dich an eine
künstliche Niere angeschlossen und gewartet . . . «
David runzelte die Stirn.
»Und dann?«
»In der darauffolgenden Nacht hast du ins Bett ge-
pißt«, grinste Gaborit. »Deine Nieren begannen erneut
normal zu funktionieren. Ich bedanke mich bei dir, daß
du mir recht gegeben hast. Zur Belohnung sollst du
heute abend einen kleinen Imbiß gestattet bekommen.
Was möchtest du haben?«
»Eine Spargelcremesuppe, Nieren in Madeirasauce
mit riesigen Champignons und eine Schokoladenmous-
se«, zählte der Sammler auf.
Gaborit seufzte enttäuscht und rieb sich die Nase.
»Sojabohnensalat, mageres Fisch-Püree und Apfel-
kompott«, murmelte er. »Ich hoffe, es war nur ein
Spaß?«
»Ja«, gab David mit einem entzückten Lächeln zu.
»Stell dir vor, ich weiß, was eine Urämie ist. Ich kenne
doch meine Kundschaft.«
Dann wurde er gleich wieder ernst.
»Loic.«
Der Arzt hob den Kopf.
»Ja?«
»Ich habe mir von einer Bande Ganoven den Kopf
einschlagen lassen, nicht wahr?«
Gaborit zog die Nase hoch und wandte sich gelang-
weilt ab.
»Loic, verdammt noch mal, hör mir zu!« erregte sich
David. »Allerlei Bilder gehen mir durch den Kopf, aber
ich kann mich nicht mehr an das erinnern, was genau
passiert ist! Ich muß es wissen.«
Mit den Fingerspitzen rieb Gaborit sich die Wange.
»Gut«, gab er schließlich nach. »Unter der Umge-
hungsstraße an der Porte de Clignancourt hat man dich
gefunden. Man hatte dich verprügelt. Du sahst aus, als
hättest du einen halben Tag lang mit dem Boxweltmei-
ster im Schwergewicht im Ring gestanden.«
David fuhr sich mit rauher Zunge über die nach wie
vor geschwollenen Lippen.
»War ich allein?« fragte er mit leiser Stimme.
Gaborit schwieg.
»Was ist mit Gerard?« beharrte David.
Der Arzt schüttelte den Kopf.
»Gerard Roussel ist tot«, flüsterte er und starrte zum
Fenster hinaus. »Und der Cherokee ist total ausge-
brannt.«
David zeigte keinerlei Reaktion, so als sei er völlig gei-
stesabwesend.
»Was hast du vor?« fragte Gaborit.
David schwieg einige Sekunden lang, bevor er mit
ausdrucksloser Stimme antwortete:
»Warum hast du mich nicht krepieren lassen, Loic?«
»Wir leben nicht mehr in einer Zeit, da Menschen an
einem Gerinnsel oder an einer defekten Niere sterben
müssen«, antwortete der Arzt nervös. »Das müßtest du
doch am besten wissen.«
Als sein Freund weiterhin hartnäckig schwieg, fuhr
Gaborit fort:
»Ich weiß nicht, ob jetzt wirklich der richtige Moment
ist, um mit dir darüber zu sprechen, aber ...«
Einen Moment lang zögerte er. David schien die Fort-
setzung ihrer Unterhaltung überhaupt nicht mehr zu in-
teressieren.
»Erinnerst du dich an Boris Gerstein?«
»Der Pressezar und Aktionär der Z.S.A.?« murmelte
David.
»Genau«, bestätigte Gaborit. »Als er erfuhr, was ge-
schehen war, schlug er vor, deine Versicherung zu dek-
ken und
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