Die Geier
auf die
eine Hälfte und tauchte sie in seinen Kaffee.
»Man erzählt, letzte Nacht habe sich ein Mann hier im
Haus das Leben genommen«, erklärte der junge Bur-
sehe und verschlang gierig sein aufgeweichtes Crois-
sant.
Sylvie hob den Kopf.
»Die Bullen befragen sämtliche Mieter«, fuhr Mouss
fort. »Der Kerl ist aus dem Fenster im obersten Stock-
werk gesprungen. Muß das ein Sturz gewesen sein!«
Plötzlich hielt er inne, und der Kaffee tropfte von sei-
nem Croissant auf die Tischdecke.
»Was hast du? Was machst du für ein Gesicht ...?«
»Der Kerl ...«, stammelte Sylvie verwirrt.
»Was ist mit dem Kerl?« fragte Mouss besorgt.
»Es muß dieser Typ gewesen sein, der mir den Film
gab«, erklärte das Mädchen. »Jetzt erinnere ich mich. Er
war verletzt, schien vor etwas zu flüchten ...«
»Hör zu«, seufzte Mouss. »Wir waren völlig zu letzte
Nacht.«
»Na und?« schnappte Sylvie. »Ich habe diesen Kerl
gesehen. Voller Blut. Er gab mir den Film und schloß
eigenhändig die Tür, bevor er die Treppe hinauf-
stieg.«
Mouss schüttelte den Kopf.
»Gut, du hast jemanden gesehen, der dir Fotos unter-
gejubelt hat. Und dann? Was beweist das schon? Wenn
er wirklich verfolgt wurde, warum ist er dann nicht ein-
fach in die Wohnung gekommen?«
»Weiß ich doch nicht«, murmelte Sylvie.
Sie schien völlig ratlos, fast sogar verängstigt zu sein.
Mouss konnte sich nicht daran erinnern, sie jemals in
einem solchen Zustand gesehen zu haben. Normaler-
weise war Sylvie ein unbekümmertes, selbstsicheres,
unkompliziertes Mädchen ohne Probleme oder Kom-
plexe, das stets gut gelaunt war. Und nun hatte diese
banale Filmrolle eines Unbekannten sie völlig aus der
Fassung gebracht. Es war verrückt.
Den Rest des Croissants ließ Mouss im Kaffee
schwimmen.
»Am einfachsten wäre es, zu einem der Polizisten, die
im Haus herumrennen, zu gehen und ihm die ganze
Geschichte zu erzählen ...«
Entsetzt hob Sylvie den Kopf.
»Nein!«
Mouss runzelte die Stirn.
»Wieso nicht?«
»Ich will nicht, daß die Bullen in meinen Privatange-
legenheiten rumschnüffeln!« schrie Sylvie.
Doch dann beruhigte sie sich wieder.
»Weißt du, was wir tun werden? Wir werden diesen
verfluchten Film ganz einfach in die Mülltonne werfen
und niemandem etwas davon erzählen. Einverstan-
den?«
Einen Augenblick lang zögerte Mouss. Dann zuckte
er mit den Schultern.
»Einverstanden«, seufzte er.
Er erhob sich, nahm den Film und verließ die Woh-
nung. Mit lautem Knall öffnete er den Deckel der Müll-
tonne, ließ den Film in seinem Hemd verschwinden,
klappte den Deckel erneut zu und ging - sich die Hände
reibend - zu seiner Freundin zurück.
»Was hältst du davon, wenn wir einen kleinen Aus-
flug zum See machen?« schlug er vor.
»Eine hervorragende Idee«, stimmte Sylvie freudig zu
und sprang von ihrem Stuhl auf. »Vielleicht könnten
wir dann auch reiten?«
»Wenn du möchtest«, antwortete Mouss.
Er hatte nicht die geringste Lust, zum See hinauszu-
fahren und eine Stunde auf dem Rücken eines dieser
verdammten Gäule zu verbringen. Er hatte nur ein Ver-
langen: sich in ein Labor zurückzuziehen und diese Bil-
der zu entwickeln. Bestimmt würde sich ihm eine Mög-
lichkeit bieten, sich im Lauf des Nachmittags irgend-
wann zu verdrücken ...
Armyan Simba hatte eine wundervolle Mischlingsfrau
geheiratet, die himmlisch kochen konnte. Simba und
seine Frau waren seit zwölf Jahren verheiratet und hat-
ten einen zwölfjährigen Sohn. Zorski konnte sich nicht
erinnern, die beiden jemals miteinander streiten gehört
zu haben. Beim Genuß des Cognacs, der zur Krönung
des vorzüglichen Mahls serviert wurde, ertappte Zorski
sich dabei, daß er seinen Kollegen beneidete. Bei gutem
Essen und köstlichen Weinen wurde ihm stets etwas
wehmütig zumute; fast bedauerte er es, ein einge-
fleischter Junggeselle zu sein, von einem Kasino ins an-
dere zu hetzen, von Operationssälen zu Cocktailpar-
tys, von offiziellen Empfängen zu zwielichtigen gesell-
schaftlichen Ereignissen; fast bedauerte er es, nur selten im selben Bett zu schlafen und noch seltener mit dersel-ben Frau. Zorski war ein umschwärmter Mann, den die
Frauen der prominenten Persönlichkeiten, mit denen er
zusammenkam, bedenkenlos in die Kategorie der ver-
führerischen Männer einordneten. Fast die Hälfte aller
Frauen, die von den Agenturen zu den Starmannequins
gezählt wurden, hatten in seinen Armen gelegen.
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