Die Geier
entgegnete Zorski.
»Morgen früh haben Sie meine Kündigung auf dem
Schreibtisch liegen, und die von Doktor Simba eben-
falls. Bis Ende der Woche wird der Operationsplan noch
eingehalten.«
»Wie Sie wollen ...«, murmelte der Direktor.
Zorski verließ das Büro und schlug die Tür wütend
hinter sich zu.
Einen Augenblick lang betrachtete der Direktor seine
Fingerkuppen, dann hob er den Telefonhörer ab.
»Verbinden Sie mich bitte mit Alexander Sirchos im
Miami Hospital ...«
Weder der Reit- noch der üblichen Ruderpartie war Mu-
stapha entkommen. Total erschöpft, mit wundem Rük-
ken und Blasen an den Händen verabschiedete er sich
von Sylvie. Im Lauf des Tages war er immer unruhiger,
immer ungeduldiger geworden. Zwischen seiner Liebe
zu Sylvie und seinem Wunsch, diese Fotos zu entwik-
keln, hatte er sich schließlich für letzteres entschieden
und sich seiner Freundin gegenüber ziemlich barsch
benommen. Sylvie wollte mit der Clique zusammen zu
abend essen.
»Du hattest mir doch versprochen, wir würden diesen
Tag zusammen verbringen!« hatte sie protestiert.
»Hör zu, ich war den ganzen Tag mit dir zusammen.
Ich hasse Pferde, um ein Haar hätte ich mir das Ge-
nick gebrochen, die Hände habe ich mir blutig geru-
dert auf diesem verfluchten See! Jetzt habe ich noch zu
tun ...«
Er zog die Nase hoch und schaute zur Seite, ehe er
mit leiser Stimme hinzufügte:
»Eine Filmmontage fertigzustellen.«
Nach dieser letzten Erklärung verschwand der hüb-
sche Mouss. Sylvie war wütend über das, was ihr wie
ein unverständliches Sichentziehen vorkam. Letzte
Nacht noch hatte der junge Mann nur davon gespro-
chen, daß er sie nie wieder verlassen würde, und seine
feurigen Umarmungen durch flammende Worte betont.
Seine Zärtlichkeiten waren also doch nur Schein.
»Du weißt, wo du mich findest!« hatte Sylvie schroff
geantwortet und ein Taxi herbeigewunken.
Dabei tat Mouss diese brutale Trennung wirklich leid.
Nur allzugern hätte er seine Neugier mit Sylvie geteilt,
die Fotos mit ihr zusammen entdeckt, aber ihre Reak-
tion am Morgen war derart heftig gewesen ... Wer
weiß, was sie getan hätte, wenn sie erfahren hätte, daß
Mouss den Film nicht in die Mülltonne geworfen hatte?
Unter diesen Umstanden war es wirklich besser, sie aus
allem herauszuhalten, auch wenn es dadurch zum Streit
kam.
Auf der Heimfahrt, in der Metro, dachte er bereits
nicht mehr an Sylvie, sondern nur noch an den Film
und an die Fotos. Er befürchtete, er habe sich von kind-
lichen Illusionen hinreißen lassen, sich einen wahren
Roman in seinem Kopf ausgedacht. Die Aussicht, mög-
licherweise nur banale und zugleich bestürzende Fe-
rienbilder zu entwickeln, beunruhigte ihn. Eine ältere
Dame, die ihm gegenübersaß, warf ihm einen mißtraui-
schen Blick zu.
Noch am selben Abend schloß Mustapha Mouss sich
in sein Amateurlabor ein und fixierte die Negative des
Films.
Er verließ die Wohnung, um Lebensmittel und einen
Kasten Whisky einzukaufen, schloß sich in seinem Ap-
partement ein und zog den Stecker des Telefons aus der
Wand. Zwei Wochen lang blieb er von der Außenwelt
abgeschnitten. Vierzehn Tage, die er einzig und allein
damit verbrachte, nach einem logischen Zusammen-
hang dieser vierundzwanzig Bilder zu suchen, die er
vergrößert und an den Wänden seiner Wohnung befe-
stigt hatte.
Es war schrecklicher als alles, was er sich vorgestellt
hatte. Schließlich ging er in die Nationalbibliothek und
machte Fotokopien von sämtlichen Zeitungen, die am
Tag nach dem Selbstmord des Journalisten erschienen
waren. Sorgfältig schnitt er alle Artikel über die De-
monstration und die nachts ausgebrochenen Unruhen
aus.
Beim Lesen des letzten Artikels fiel sein Blick auf eine
kurze Notiz zum Überfall, dem ein unabhängiger
Sammler namens David Toland zum Opfer gefallen
war ...
Auf Mark Zorski warteten weitere Überraschungen.
Im ganzen Hospital suchte er nach Simba, um ihn über
die Entscheidung des Verwaltungsrats und die gemein-
same Haltung, die er in dieser Angelegenheit einneh-
men wollte, in Kenntnis zu setzen. Ein Assistenzarzt
teilte ihm mit, daß Doktor Simba sich bei den beiden
letzten Operationen dieses Tages vertreten ließ, jedoch
keineswegs krank zu sein schien und auch keinerlei Er-
klärungen abgegeben hatte. Was ganz und gar nicht
Simbas Art war. Wie Zorski hätte auch der schwarze
Riese noch mit vierzig Grad Fieber und zwei gebroche-
nen
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