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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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nackten Schultern gleiten lassen und versuchen,
    durch unbeholfene Beinbewegungen den gewagten
    Schlitz in ihrem bunten Kleid zur Wirkung zu bringen;
    am Ende schob der Alte eine Fünfzigdollarnote unter
    sein letztes Glas und verließ die Blue Bar, ohne die Un-glückliche eines weiteren Blicks zu würdigen. Gewiß
    hatte der Kerl für die nächsten drei langen Wochen nun
    genug zum Träumen. Alle Bemühungen des Mädchens
    waren umsonst gewesen.
    Enttäuscht und mit vor Wut leicht verzerrtem
    Schweinsgesicht wandte sie sich anschließend Simba
    zu, dessen weißer, im blauen Neonlicht besonders
    blendender Anzug vermutlich ihre Aufmerksamkeit
    geweckt hatte.
    Der Chirurg war sich dieser Aufmerksamkeit, die
    man ihm nun plötzlich schenkte, durchaus bewußt. Er
    drehte sich zu dem Mädchen um und lächelte ihm zu.
    Mein Gott, wie häßlich sie war! Simba unterdrückte ein
    nervöses Lachen und vertiefte sich erneut in die Be-
    trachtung seines Glases. Das Mädchen schien jedoch
    nicht gewillt zu sein, sich auch nur die kleinste Beute
    entgehen zu lassen. Sie wußte, daß in ungefähr einer
    Stunde, wenn die Büros schließen würden, andere, jün-
    gere und unendlich begehrenswertere Jägerinnen in der
    Bar aufkreuzen würden, um sich hier ihr Gehalt ein we-
    nig aufzubessern, das heißt, sich einen stinkreichen Vati
    zu angeln. Dann würde sie keine Chance mehr haben.
    Unter diesen Umständen war jetzt höchste Eile ge-
    boten, sie durfte keine großen Ansprüche mehr stel-
    len. Also ran an den Neger! Der Dollar hat nur eine
    Farbe!
    Mit dem Ellbogen schubste sie ihre Handtasche zu
    Boden, genau neben Simbas Füße. Der Arzt sprang von
    seinem Hocker, hob die Tasche auf und reichte sie dem
    Mädchen, das bereits neben ihm stand. Sie verströmte
    einen Duft, der eine ganze Ferkelhorde hätte umbringen
    können.
    »Entschuldigen Sie«, flüsterte sie absichtlich verwirrt.
    »Ich wollte mir nur eine Zigarette nehmen und ...«
    Simba bemerkte ihre krummen Zähne und die
    Schwangerschaftsstreifen auf den Brüsten. Er lächelte
    und hielt ihr sein eigenes Zigarettenpäckchen hin. Zu-
    erst wollte sie das Angebot gar nicht annehmen.
    »Ich bitte Sie«, beharrte der Chirurg, sichtlich belu-
    stigt.
    Mit ihren zinnoberrot gefärbten Fingernägeln, die of-
    fenbar genauso falsch waren wie das Vuitton-Schild-
    chen auf ihrer Handtasche, die sie sich um die Schulter
    gehängt hatte, zog sie eine Zigarette heraus, steckte sie
    sich zwischen die zu stark geschminkten Lippen und
    beugte sich über das Feuerzeug, das Simba ihr hinhielt.
    Der Arzt sagte sich, daß es wenigstens drei oder vier
    Schaumbädern mit viel ätherischen Salzen oder Ölen
    bedürfte, um den von dieser Heuschrecke verströmten
    Duft wieder loszuwerden.
    »Darf ich Ihnen ein Gläschen spendieren?« fragte
    Simba.
    »Ich weiß nicht, ob ...«, begann das Mädchen.
    »Ach ja«, unterbrach Simba. »Verzeihen Sie bitte. Ich
    heiße Armyan Simba und arbeite als Chirurg im Central
    Hospital in Philadelphia.«
    Das Mädchen gab einen seltsamen Pfeif ton von sich.
    Simba diagnostizierte eine Verkrümmung der Nasen-
    scheidewand, die eine Funktionsstörung der Nasen-
    höhle bewirkte.
    »Olivia Frederickson«, stellte sie sich vor. »Ich komme
    aus Chattanooga, Tennessee. Kennen Sie Chattanoo-
    ga?«
    Simba räusperte sich.
    »Eh, nein ...«
    »Dabei ist es eine große Stadt«, bemerkte Olivia ein
    wenig vorwurfsvoll.
    »Gewiß«, besänftigte sie Simba. »Was möchten Sie
    trinken?«
    »Einen Whisky mit Zitrone. Mit viel Zitrone«, sagte
    das Mädchen und sog an der Zigarette.
    Simba bestellte und gab sich Mühe, weiterhin ernst
    zu bleiben.
    »Sind Sie in Philadelphia geboren?« fragte Olivia und
    schlug die Beine übereinander.
    »Nein, in Washington.«
    Sie nickte, als sei das eine Selbstverständlichkeit.
    »Ist das ihr Cadillac, der draußen vor der Bar steht?«
    fragte sie weiter.
    »Ja.«
    Erneut gab sie ein merkwürdiges Quietschen von
    sich, das Simba als den Versuch eines Lachens deutete,
    das durch die Furcht, ihre schlechten Zähne zeigen zu
    müssen, leicht verfremdet war.
    »Wissen Sie was?«
    »Nein ...«
    »Sie sehen gar nicht aus wie ein Chirurg.«
    »Ach ja?«
    »Sie sehen eher aus wie einer dieser Zuhälter, wie
    man sie aus dem Fernsehen kennt.«
    Simba lehnte sich zu Olivia hinüber und setzte eine
    komplizenhafte Miene auf.
    »Ich sehe, Kleine, dir kann man nicht so leicht etwas
    vormachen«, knurrte er.
    »Nein, auf keinen Fall!« beteuerte das

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