Die Geier
nackten Schultern gleiten lassen und versuchen,
durch unbeholfene Beinbewegungen den gewagten
Schlitz in ihrem bunten Kleid zur Wirkung zu bringen;
am Ende schob der Alte eine Fünfzigdollarnote unter
sein letztes Glas und verließ die Blue Bar, ohne die Un-glückliche eines weiteren Blicks zu würdigen. Gewiß
hatte der Kerl für die nächsten drei langen Wochen nun
genug zum Träumen. Alle Bemühungen des Mädchens
waren umsonst gewesen.
Enttäuscht und mit vor Wut leicht verzerrtem
Schweinsgesicht wandte sie sich anschließend Simba
zu, dessen weißer, im blauen Neonlicht besonders
blendender Anzug vermutlich ihre Aufmerksamkeit
geweckt hatte.
Der Chirurg war sich dieser Aufmerksamkeit, die
man ihm nun plötzlich schenkte, durchaus bewußt. Er
drehte sich zu dem Mädchen um und lächelte ihm zu.
Mein Gott, wie häßlich sie war! Simba unterdrückte ein
nervöses Lachen und vertiefte sich erneut in die Be-
trachtung seines Glases. Das Mädchen schien jedoch
nicht gewillt zu sein, sich auch nur die kleinste Beute
entgehen zu lassen. Sie wußte, daß in ungefähr einer
Stunde, wenn die Büros schließen würden, andere, jün-
gere und unendlich begehrenswertere Jägerinnen in der
Bar aufkreuzen würden, um sich hier ihr Gehalt ein we-
nig aufzubessern, das heißt, sich einen stinkreichen Vati
zu angeln. Dann würde sie keine Chance mehr haben.
Unter diesen Umständen war jetzt höchste Eile ge-
boten, sie durfte keine großen Ansprüche mehr stel-
len. Also ran an den Neger! Der Dollar hat nur eine
Farbe!
Mit dem Ellbogen schubste sie ihre Handtasche zu
Boden, genau neben Simbas Füße. Der Arzt sprang von
seinem Hocker, hob die Tasche auf und reichte sie dem
Mädchen, das bereits neben ihm stand. Sie verströmte
einen Duft, der eine ganze Ferkelhorde hätte umbringen
können.
»Entschuldigen Sie«, flüsterte sie absichtlich verwirrt.
»Ich wollte mir nur eine Zigarette nehmen und ...«
Simba bemerkte ihre krummen Zähne und die
Schwangerschaftsstreifen auf den Brüsten. Er lächelte
und hielt ihr sein eigenes Zigarettenpäckchen hin. Zu-
erst wollte sie das Angebot gar nicht annehmen.
»Ich bitte Sie«, beharrte der Chirurg, sichtlich belu-
stigt.
Mit ihren zinnoberrot gefärbten Fingernägeln, die of-
fenbar genauso falsch waren wie das Vuitton-Schild-
chen auf ihrer Handtasche, die sie sich um die Schulter
gehängt hatte, zog sie eine Zigarette heraus, steckte sie
sich zwischen die zu stark geschminkten Lippen und
beugte sich über das Feuerzeug, das Simba ihr hinhielt.
Der Arzt sagte sich, daß es wenigstens drei oder vier
Schaumbädern mit viel ätherischen Salzen oder Ölen
bedürfte, um den von dieser Heuschrecke verströmten
Duft wieder loszuwerden.
»Darf ich Ihnen ein Gläschen spendieren?« fragte
Simba.
»Ich weiß nicht, ob ...«, begann das Mädchen.
»Ach ja«, unterbrach Simba. »Verzeihen Sie bitte. Ich
heiße Armyan Simba und arbeite als Chirurg im Central
Hospital in Philadelphia.«
Das Mädchen gab einen seltsamen Pfeif ton von sich.
Simba diagnostizierte eine Verkrümmung der Nasen-
scheidewand, die eine Funktionsstörung der Nasen-
höhle bewirkte.
»Olivia Frederickson«, stellte sie sich vor. »Ich komme
aus Chattanooga, Tennessee. Kennen Sie Chattanoo-
ga?«
Simba räusperte sich.
»Eh, nein ...«
»Dabei ist es eine große Stadt«, bemerkte Olivia ein
wenig vorwurfsvoll.
»Gewiß«, besänftigte sie Simba. »Was möchten Sie
trinken?«
»Einen Whisky mit Zitrone. Mit viel Zitrone«, sagte
das Mädchen und sog an der Zigarette.
Simba bestellte und gab sich Mühe, weiterhin ernst
zu bleiben.
»Sind Sie in Philadelphia geboren?« fragte Olivia und
schlug die Beine übereinander.
»Nein, in Washington.«
Sie nickte, als sei das eine Selbstverständlichkeit.
»Ist das ihr Cadillac, der draußen vor der Bar steht?«
fragte sie weiter.
»Ja.«
Erneut gab sie ein merkwürdiges Quietschen von
sich, das Simba als den Versuch eines Lachens deutete,
das durch die Furcht, ihre schlechten Zähne zeigen zu
müssen, leicht verfremdet war.
»Wissen Sie was?«
»Nein ...«
»Sie sehen gar nicht aus wie ein Chirurg.«
»Ach ja?«
»Sie sehen eher aus wie einer dieser Zuhälter, wie
man sie aus dem Fernsehen kennt.«
Simba lehnte sich zu Olivia hinüber und setzte eine
komplizenhafte Miene auf.
»Ich sehe, Kleine, dir kann man nicht so leicht etwas
vormachen«, knurrte er.
»Nein, auf keinen Fall!« beteuerte das
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