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Die Geier

Die Geier

Titel: Die Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joel Houssin
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breiter,
    das Licht merklich schwächer. Triumphierend verzerrte
    der Sammler den Mund. Er ließ das Licht über die an
    den Wänden befestigten Vergrößerungen der Fotos
    wandern. Einmal mehr hatte er die richtige Adresse er-
    wischt. Der Kerl wohnte tatsächlich hier.
    Milan schaute sich weiterhin um. Da waren noch
    zwei andere Zimmer: das Schlafzimmer und das Ar-
    beitszimmer, an dessen Wänden zahlreiche Bücherre-
    gale standen und das Mouss wahrscheinlich ebenfalls
    als Entwicklungsraum genutzt hatte. Milan machte sich
    keine allzu großen Illusionen, begann aber dann doch,
    alles systematisch und peinlich genau zu durchsuchen,
    wobei er jeden Gegenstand wieder an seinen Platz zu-
    rückstellte. Zweifellos hatte dieser Idiot die Negative bei sich. Es sei denn, er hatte sie anderswo versteckt ... Wie auch immer, sobald er Milan in die Hände fallen würde,
    würde er schon alles ausplaudern.
    Der Sammler nahm sich einen Kaugummi und steckte
    das Papier in seine Tasche zurück. In aller Ruhe setzte
    er sich an den Schreibtisch, schaltete die Bürolampe an
    und begann sich die wenigen Gegenstände, die er bei
    seiner Durchsuchung aufgestöbert hatte, genauer anzu-
    sehen. Sorgfältig kopierte er das Adreßbüchlein, in dem
    auch Sylvie Vercauterens Name und Anschrift stand,
    und blätterte einen dicken Aktenordner mit Unterlagen
    über die Arbeiten der Z.S.A. in den letzten sechs, sie-
    ben Monaten durch. Gelassen kaute Milan seinen Kau-
    gummi, blätterte die Seiten um, verweilte von Zeit zu
    Zeit bei einem Zeitungsausschnitt über einen Unfall, der
    in den Tageszeitungen kaum Beachtung gefunden und
    den Mouss mit einem roten Filzstift gekennzeichnet
    hatte.
    Zweimal vernahm der Geier ein Geräusch im Haus,
    schaltete die Lampe aus und legte die Hand auf sein
    Messeretui. Sobald er merkte, daß es sich bloß um an-
    dere Mieter handelte, die nach Hause kamen, schaltete
    er das Licht wieder an.
    Er las weiter und runzelte die Stirn, als er auf einen
    Artikel über den Sammler David Toland und dessen
    Unfall stieß. Was konnte diesen kleinen Dreckskerl
    daran nur so interessieren? In dem Moment suchte
    Milan nicht weiter nach einer Erklärung. Er schloß die
    Akte, lehnte sich im Sessel zurück, kreuzte die Hände
    vor seinem Bauch und machte eine dicke Kaugummi-
    blase. Diese Akte hatte die Sprengkraft einer Atom-
    bombe, mit der man die Z.S. A. und sämtliche Aktionäre
    auffliegen lassen und einen der aufsehenerregendsten
    Prozesse der Justizgeschichte in Gang bringen könnte.
    Milan zog die Nase hoch und schaute gedankenverlo-
    ren auf den Deckel des Ordners, auf den der Erpresser
    mit einem dicken Filzstift die drei Initialen der Z.S.A.
    sowie das ziemlich ungeschickt nachgemalte Siegel der
    Geier gemalt hatte. Der Dummkopf glaubte also, Nitro-
    glyzerin in Gold umwandeln zu können. Er wollte die-
    sen ganzen Krämerladen kräftig durcheinanderrütteln
    und den gesamten Planeten in die Luft sprengen.
    Milan drehte sich etwas zur Seite und betrachtete das
    alte Fotokopiergerät, das in einer Ecke des Zimmers auf
    dem Boden stand. Er erhob sich, trat an das Gerät und
    fischte eine zerknüllte, zu dunkel geratene Kopie aus
    dem Papierkorb. Jetzt bestand also kein Zweifel mehr.
    Dieser Mistkerl hatte Kopien seiner Unterlagen angefer-
    tigt. Die Angelegenheit wurde immer brenzliger ...
    Siebzehntes Kapitel
    Als David Toland seine Sammlerjacke anzog, hatte er
    das seltsame Gefühl, alles sei nur ein böser Traum ge-
    wesen, nur ein etwas zu lange dauernder, etwas zu rea-
    listischer Alptraum ... Sein Bild im Wandspiegel ver-
    scheuchte dieses Hirngespinst wieder. Er betrachtete
    sein schmaler gewordenes Gesicht, die vorspringenden
    Backenknochen, die seine hohlen, von einem dichten
    Bart bedeckten Wangen noch stärker betonten, und vor
    allem diesen glanzlosen, gleichgültigen und beinahe
    fremdartigen Blick. Er schaute auf das an die Brust sei-
    ner Jacke genähte Abzeichen, ein goldfarbenes rundes
    Stück Stoff mit einem Symbol, das das Leben darstellte,
    und einem schwarzen Randstreifen, auf den die Namen
    >Toland< und >Roussel< aufgestickt waren. Mit dem Zeigefinger glitt er unter die Naht und riß das Abzeichen
    wütend ab. Das Leder riß einen Zentimeter weit ein.
    Nachlässig warf Toland den Stoffetzen auf das Kran-
    kenhausbett und verließ das Zimmer.
    So als warte er schon seit Stunden auf den Sammler,
    stand Boris Gerstein, der Pressezar, mit dem Rücken
    gegen die Flurwand gelehnt und rauchte ein

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