Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
seine Gewohnheit, nachdem er am zweiten Tag seines Aufenthaltes den Markt unterhalb der Mikelenburg besucht hatte. Der Ort war berühmt für seinen Sklavenmarkt, und Magnus war entsetzt, als er den Handelsplatz in Augenschein nahm. Sklaven und Kriegsgefangene aus aller Welt wurden hier feilgeboten, einige in erbarmungswürdigem Zustand nach langer Anreise und schlechter Behandlung. Es gab keine Unterstände für die menschliche Ware, die oft angeketteten Männer und Frauen streckten sich nachts im Schlamm aus, viele von ihnen waren krank und entkräftet. Die Frauen – von einigen Preziosen aus dem Mittelmeerraum einmal abgesehen, deren Verkäufer sich wohl eher zufällig hierhin verlaufen hatten – waren Freiwild für alle mit dem Handel beschäftigten Gauner. Mitunter erlaubten die Händler sogar Kaufinteressenten, sie »auszuprobieren«, bevor man handelseinig wurde.
    Magnus würde nie den Blick eines schmächtigen blonden Mädchens vergessen, das in zerrissener Kleidung aufs Podium gezerrt und an lachende Kunden versteigert wurde. Die junge Frau war zweifellos Slawin, und Magnus konnte sich nicht von der Erinnerung freimachen, sie vielleicht auf Rujana gesehen zu haben. Hatte sich nicht Pribislav mit ihr vergnügt, während Niklot sich auf Amra gestürzt hatte? Er wusste es nicht mehr, doch das Schicksal des Mädchens rührte ihn zutiefst. Magnus dachte kurz darüber nach, selbst mitzusteigern, aber auch wenn er das Geld aufgebracht hätte – was sollte er mit einer ranischen Sklavin? Es käme nicht infrage, sie zunächst in den Rittersaal Pribislavs und dann nach Braunschweig mitzunehmen. Freilassen könnte er sie auch nicht. Wie sollte sich das junge Ding schließlich allein durchschlagen? Magnus verschloss also die Augen vor dem Elend des Mädchens, ertränkte seine Scham in Pribislavs Wein – und fuhr in der Nacht aus bösen Träumen, in denen er Amra an der Stelle des Mädchens sah.
    Die anderen Ritter schienen seine Vorbehalte gegen die Burg nicht zu teilen. Im Gegenteil, sie besuchten die Hurenwirte im Umfeld des Marktes, wo Hübschlerinnen preiswerter angeboten wurden als überall sonst in den Ländereien des Herzogs.
    »Die halten dich wenigstens warm bei Nacht!«
    Heribert, einer der Ritter, den Magnus noch am ehesten als seinen Freund und Vertrauten bezeichnet hätte, lachte. Er ahnte, dass Magnus sich mit Liebeskummer herumschlug und versuchte immer wieder, ihn mit zu den Huren zu nehmen. Auf dem Gipfel seiner Verzweiflung gab Magnus schließlich nach, empfand dann aber nur Ekel, als ihm ein mageres, scheues Mädchen zugewiesen wurde, das keine ihm bekannte Sprache beherrschte und bitterlich weinte, während es sich gehorsam aus seinen Kleidern schälte. Magnus entlohnte das verblüffte kleine Ding, ohne seine Dienste in Anspruch zu nehmen. In dieser Nacht gab es keine Sterne am wolkenverhangenen Himmel – und auch keine Zärtlichkeiten.
    Immerhin kamen Bischof Bernos Verhandlungen mit dem Fürsten gut voran, sodass sich der Aufenthalt auf der Mikelenburg nicht allzu lange hinzog. Anschließend ging es allerdings nicht gleich zurück nach Braunschweig, wie die Ritter gehofft hatten. Bischof Berno nahm die Inspektion von Kirchen und Bistümern sehr ernst, und Magnus und seine Männer fanden sich bald wieder auf der Straße oder dem, was in den vormals slawischen Gebieten als solche bezeichnet wurde. Unverzagt durchquerte der Bischof Sümpfe und Urwälder, nächtigte im Zelt oder in den primitivsten Unterkünften der heldenhaften Priester und Mönche, die als Missionare in Pribislavs Reich wirkten. Dabei besserte das Wetter sich kaum, die Ritter froren und mussten obendrein ständig auf der Hut sein. Es gab Wegelagerer und Strauchdiebe in den dichten Wäldern, und sie kämpften ebenso todesverachtend wie Pribislavs Söldner. Von entspanntem Reisen konnte folglich keine Rede sein. Magnus und seine Ritter wurden fast jeden Tag in Kämpfe verwickelt, dabei führte der Bischof kaum Gold mit sich. Den Wegelagerern reichte es jedoch auch schon, die Pferde und Rüstungen der Männer zu erbeuten.
    So wurde es schließlich später Herbst, bis Bischof Berno und seine Eskorte endlich wieder Herzog Heinrichs Stammland erreichten. Die Männer atmeten auf, als sie in der ersten sächsischen Burg gastlich aufgenommen wurden, ein Bad vorfanden und eine zwar kalte, aber doch trockene und zugfreie Unterkunft. Zufällig waren sogar Spielleute zu Gast, sodass sich der Abend im Rittersaal unterhaltsam gestaltete. Die

Weitere Kostenlose Bücher