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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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auch einmal über ihre Wange oder ihr Haar. Er forderte sie auf, sich im Anschluss an den Imbiss etwas die Beine zu vertreten, bevor es weiterging, nahm dazu ihren Arm, führte sie über unebene Wege, um sie auffangen zu können, wenn sie stolperte. Amra wusste, dass er das bewusst tat, doch sie war geschickt und achtete darauf, wohin sie ihre Füße setzte. Überhaupt bemühte sie sich nach Kräften, ihn nicht zu ermutigen, aber es fiel schwerer und schwerer, je intensiver er um sie warb. Amra kämpfte mit der sprachlichen Gratwanderung, höflich zu bleiben. Schließlich wurden Heinrichs Anspielungen immer deutlicher.
    »Sagt, sehnt Ihr Euch denn nicht auch danach, zärtliche Hände über Euer Fleisch streicheln zu fühlen? Ihr seid doch jung und sinnlich, Frau Amra, ich fühle, wie Euer Körper sich mir entgegenstreckt. Hier, seht Ihr …« Er strich über ihren Arm und lachte, als die feinen Härchen sich aufstellten. »Und hier …«
    Amra wehrte ihn beschämt ab, als er nach ihren Brüsten tastete, spürte sie doch, dass sich ein Anflug der großen Gefühle, die Magnus’ Berührungen in ihr hervorgerufen hatten, in ihr regte. Es machte sie traurig und ängstlich, und sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Natürlich sehnte sie sich nach Zärtlichkeiten. Aber nicht von einem Mann, der doppelt so alt war wie sie, der sich ihr Herr nannte, der verheiratet war mit einer Frau, mit der sie zusammen an einem Hof lebte.
    Amra hatte sich eigentlich nichts vorzuwerfen, sie schämte sich trotzdem vor Mathilde – und es gab keine Möglichkeit für sie, der Herzogin aus dem Weg zu gehen. Gerade jetzt, wo es kalt wurde, waren die Frauen fast ständig beisammen. Sie lasen einander vor, machten Handarbeiten – die wenigen, beheizbaren Räume in der Burg wurden von allen gemeinschaftlich genutzt. Und Mathilde machte keine Anstalten, Amra zu ignorieren, wie es andere Frauen in ihrer Lage vielleicht getan hätten, sie kämpfte. Immer wieder schloss sie sich Heinrich und Amra beim Ausritt an, versuchte verbissen, sich mit ihrem neuen Falken vertraut zu machen, und beschäftigte Heinrich damit, ihr dabei zu helfen. Wenn der Herzog Amra beim Bankett an seine Seite rief, saß Mathilde an seiner anderen, machte geistreiche oder einfach nur böse Bemerkungen, wenn er mit ihr plauderte, oder dachte sich kleine Gemeinheiten aus, wie etwa ihr Weinglas scheinbar versehentlich über Amras Kleid auszuleeren.
    Amra war das alles mehr als unangenehm. Sie fühlte sich zusehends geängstigt, und sie hasste die feindliche Atmosphäre, die ihr am Hof der Herzogin entgegenschlug. Vielleicht stimmte es ja, was Mariana sagte, und die Favoritinnen anderer Fürsten gelangten zu großer Macht am Hof ihrer Herren. Adelshöfe waren von jeher voller Schmeichler und Opportunisten, da mochte es leicht zu Vorlieben für die Ehefrau oder aber die Konkubine kommen. Amra sah sich allerdings nicht als Heinrichs Geliebte und wollte sich auch nicht als solche aufspielen. Zudem bestand der Hof der Herzogin fast ausschließlich aus Mathildes Gefolgschaft aus England, sorglich ausgewählt durch Königin Eleonore und sowohl Mathilde persönlich wie auch den Plantagenets als Familie verpflichtet. Niemand hier lief zu Amra über. Die Einzigen, die freundlich mit ihr umgingen, waren Melisande, Joana und natürlich Mariana, weil ihnen nicht verborgen blieb, dass Amra nicht aus eigenem Antrieb zum Spielball der Mächte am Hof geworden war. Und da sie in einer Kemenate lebten, wussten sie, dass die junge Frau sich nachts nicht in die Gemächer des Herzogs schlich, wie die anderen Mädchen tuschelten. Melisande teilte das Bett mit ihr, sie wusste, dass Amras einziges Geheimnis darin bestand, sich oft in den Schlaf zu weinen.
    »Warum reitet Ihr nicht einfach allein mit Eurer Gattin?«, meinte Amra jetzt verzweifelt, um die Situation zu retten, und wäre beinahe in Tränen ausgebrochen.
    »Ich begleite Euch auch gern, Frau Amra«, bot der Slawenfürst an.
    Das wiederum ließ Heinrichs Miene vereisen. »Wenn Ihr mir die Begleitung des Herrn Mirko vorzieht …«, bemerkte er, was Amra natürlich vehement verneinte.
    Bevor sie sich dem feisten, widerwärtigen Slawenfürsten anvertraute, ritt sie lieber neben Mathilde her – ganz abgesehen davon, dass sie den Herzog auf keinen Fall brüskieren durfte.
    Mathilde klatschte daraufhin lachend in die Hände.
    »Wir reiten einfach alle zusammen!«, meinte sie in gespielt kindlicher Fröhlichkeit. »Ihr schließt Euch uns doch

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