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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Ricarda Jordan
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beginnen, werden sie schließlich den Gauklern zusehen und die Marktstände betrachten. Nein, Kind, du musst es tun, wenn alle Aufmerksamkeit auf den Tempel gerichtet ist. Wenn der Priester den ersten Schlag ausgeführt hat, wenn er dem Gott den Kopf eines christlichen Mönches als Opfer darbietet. Dann und nur dann werden alle erstarren. Und Magnus kann fliehen, so Gott es will …«

Kapitel 4

    A mra versteckte die Falle mit der Ratte in ihrem Korb und hoffte, dass niemand sie bemerken würde. Schließlich gab es keinen Grund, einen Korb mitzunehmen. Verpflegung wurde nicht gebraucht, die Priester würden sich großzügig zeigen und dem Volk zu Ehren des Gottes und zur Feier des Opfers Speis und Trank zur Verfügung stellen. Einige der Frauen, die am Tag zuvor auf dem Markt gewesen waren, berichteten bereits aufgeregt von Ochsen, die am Spieß brieten, Dutzenden Hühnern, die geschlachtet wurden, und Brei in großen Kesseln.
    Amra trug wieder ihr zu enges Kleid, was ihr und ihrer Mutter einen Tadel von Herrn Baruch einbrachte.
    »So kannst du sie doch nicht herumlaufen lassen, Mirnesa! Schau sie dir an, sie wird erwachsen. Es gibt genug Männer, die sich daran nicht sattsehen können. Was denkst du dir dabei, Amra, dich gerade zu diesem … hm … Opferfest … so aufreizend zu kleiden?«
    Amra errötete sofort. »Ich … das andere Kleid war schmutzig … voller … Fischblut … ich musste es waschen. Und nun ist es noch nicht trocken.«
    Amra hatte kurz überlegt, es trotzdem anzuziehen, aber es war leicht bewölkt, windig und kühl. Sie wäre bald steif vor Kälte gewesen, und das konnte sie an diesem Tag nicht gebrauchen.
    Baruch warf einen Blick auf Mirnesa, die ein sauberes Kleid trug. Im Gegensatz zu den anderen Frauen im Dorf besaß sie zwei Kleider, und eines war immer frisch gewaschen und in Rosenwasser gespült. Baruch wusste, dass er seine »Wirtschafterin« nicht gänzlich vom Dorfleben separieren konnte. Hätte sie sich nicht stets an der gemeinschaftlichen Arbeit beteiligt, wäre sie zur Außenseiterin geworden. Doch er hasste es, wenn sie nach Fisch roch, und so hatte er ihr das Kleid geschenkt und brachte Seife und Parfüm mit, wenn er auf großen Märkten weilte. Mirnesa mochte den Neid der anderen Frauen nicht auf sich lenken, deshalb schmückte sie sich nur im Haus. An diesem Tag ging es allerdings nicht anders. Baruch hatte, wie alle anderen Handelsherren in Vitt und Puttgarden, eine ausdrückliche Einladung zur Zeremonie erhalten und begab sich nun mit seinem gesamten Haushalt zur Burg. Er wäre unleidlich geworden, hätte ihn Mirnesa in einem von Blut und Schleim besudelten Kleid begleitet. Die Frauen der Fischer konnten sich solchen Luxus nicht leisten. Sie kamen in schmutzigen Kleidern oder in klammen, wenn sie die Sachen rasch gewaschen hatten.
    »Wenn auf der Burg Stoffhändler sind, kaufe ich dir Leinen für ein neues Kleid«, sagte Baruch schließlich und reichte dem Mädchen seinen Umhang. »Solange nimm wenigstens den, oder leg dir den Schal um, den ich dir letztens mitgebracht habe.«
    Amra hüllte sich in den Mantel aus kostbarem, dunklem Tuch. Zu dem hübschen grünen Schal sagte sie lieber nichts. Tatsächlich befand sich der in einem der Boote am Anlegesteg, einem kleinen flachen Segler ähnlich dem der Fischer, der Herrn Baruch gehörte. Er nutzte ihn hauptsächlich zur Flussfahrt ins Inland, wenn er in Ralswiek und anderen Siedlungen zu tun hatte. Und nun wartete er auf Magnus – mit Amras Schal als Erkennungszeichen.
    Die Bevölkerung von Vitt begab sich fast geschlossen zur Tempelanlage. Dabei hielt sich die Begeisterung der Menschen für das »Fest« in Grenzen. Gut, man aß sich freudig auf Kosten der hohen Herren satt, und einer Hinrichtung sah man auch gern zu – zumal sich dieses Erlebnis hier auf der friedlichen, bevölkerungsarmen Insel nur selten bot. Doch es war die Zeit der Heringe. Der nächste Schwarm konnte stündlich gesichtet werden – und dann mussten die Fischer erst mal von Arkona aus zurück nach Vitt, und keiner wusste, wie die Priester auf die Störung ihrer Zeremonie reagieren würden. Wäre es nach den Leuten von Vitt gegangen, so hätte man die Opferung mindestens einen oder besser zwei Monde aufgeschoben, wenn die Heringssaison vorbei und alle Geschäfte abgeschlossen waren.
    »Dann wären bloß nicht so viele Kaufleute Zeugen der Sache geworden«, meinte Baruch zu einem Kaufmann aus Lübeck, den er als Gast in seinem Haus bewirtete.
    Auch Herr
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