Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
Vaclavs Übergriff, während er das Tor zum Turm untersuchte. Plamen hatte es unverschlossen lassen sollen, und tatsächlich brauchte Heribert keine Anstrengung, es aufzustoßen und gleich wieder hinter sich und Amra zu schließen. Amra entzündete ihre Kerze, sobald sie den Turm betreten hatten. Die Laterne erfüllte den Raum sofort mit schummrigem Licht, und Amra sah jetzt das Blut auf dem Eisen. Sie musste Vaclav hart getroffen haben, gut möglich, dass es reichte, um ihn vor seinen Schöpfer zu bringen. Gottesurteil … Amra hätte beinahe bitter aufgelacht.
Dann jedoch verging ihr jeglicher Galgenhumor. Magnus kauerte an der gleichen Stelle wie in der ersten Nacht seiner Haft, gefesselt mit kurzen Ketten, die ihm weder bequemes Liegen noch Stehen erlaubten. Als das Licht aufflammte, hob er den Kopf. Er hatte sicher nicht geschlafen. Amra erkannte das Seidenband, das er sich um die Hand geschlungen hatte. Ihr Zeichen.
»Amra … du … Träume ich?« Magnus’ Stimme klang schwach.
Amra näherte sich mit der Laterne. »Ich hab dir doch versprochen, dass ich dich raushole«, flüsterte Amra. »Könnt Ihr die Ketten aufschmieden, Herr Heribert? Ihr müsst zu ihm hinunterklettern.«
Heribert hatte sein Schmiedewerkzeug schon ausgepackt. »Fragt sich nur, wie ich hinterher wieder hochkomme«, brummte er, ließ sich dann aber ohne weitere Bemerkungen in den Kerker hinab. »Schaut, ob Ihr irgendwo eine Leiter findet, Frau Amra.«
Amra sah sich um, fand jedoch nur ein paar Stricke.
»Sie ziehen einen hoch«, meinte Magnus mühsam. »Und sonst nehmen sie das ›In den Kerker werfen‹ wörtlich. Mir tut jeder Knochen weh.«
»Aber du wirst doch reiten können?«, fragte Amra besorgt.
Heribert sah zu ihr hinauf und zog eine Augenbraue hoch. »Er ist ein Ritter, Frau Amra. Natürlich kann er reiten … erst mal müssen wir ihn jedoch hier herausbekommen. Mehr Licht, Frau Amra, ich kann die Kette nicht sehen.«
Amra ließ die Laterne an einem der Stricke zu den Männern herab und erkannte die schwere Fußfessel an Magnus’ Knöchel. Das Eisen hatte die Haut bis zum Knochen aufgeschürft, Magnus unterdrückte ein Stöhnen, als Heribert die Fessel bewegte.
»Das krieg ich so nicht auf«, bemerkte der Ritter. »Tut mir leid, aber du musst die Schelle umbehalten, ohne Amboss ist da nichts zu machen. Ich werde nur eines der Kettenglieder aufsprengen.«
Amra fuhr zusammen, als er mit seinem Werk begann. Eisen schlug laut klirrend auf Eisen. Sie hatte das Gefühl, als müsse der Lärm die ganze Burg aufwecken. Doch Heribert verstand sein Geschäft. Mit wenigen Schlägen hatte er das Kettenglied zertrümmert. Magnus war frei und versuchte, sich aufzurichten. Es ging nur, wenn er sich an der Wand abstützte, und es schien ihm große Schmerzen zu bereiten. Seine Muskeln waren nach der langen Zeit verkümmert. Nichtsdestotrotz zwang er sich, ein paar Schritte zu machen. Heribert stützte ihn.
Amra zog die Laterne und das Werkzeug herauf, während der junge Ritter die Lage abschätzte. Es würde nicht einfach sein, aus der Grube herauszukommen. Zwei gesunde Ritter konnten sich zwar mittels Räuberleiter leicht heraushelfen, es war hingegen ausgeschlossen, dass Magnus Heribert auf die Schultern nahm. Sie konnten ihn höchstens heraufziehen. Heribert legte Magnus das Seil um, warf es zu Amra hinauf und gebot ihr, zu ziehen. Magnus schaffte es kaum mitzuhelfen, aber er war nur noch Haut und Knochen, und so hob Heribert seinen Freund mühelos von unten hoch. Amra nahm all ihre Kraft zusammen und zog, bis es geschafft war. Magnus blieb schwer atmend am Rand des Verlieses liegen.
»Jetzt ich.« Heribert klang alles andere als zuversichtlich, als Amra das Seil, das um Magnus’ Hüfte geschlungen war, löste und zu ihm hinunterwarf.
Magnus ergriff es tapfer und versuchte, Amra zu helfen, seinen Freund die steile Wand heraufzuziehen.
»Meine Anerkennung, Frau Amra, Ihr habt beachtliche Kraft.« Heribert blickte die junge Frau bewundernd an, als er sich schließlich über den Rand des Verlieses zog.
Amra lachte. »Das hättet Ihr einer Klosterschwester und Edelfrau nicht zugetraut, was? Aber ich habe drei Jahre lang Ställe gemistet, Wassereimer geschleppt und Heu gestapelt. Wenn du mir zeigst, wie man ein Schwert führt, Magnus, schlage ich meinem nächsten Freier persönlich den Kopf ab.«
»Das hoffe ich nicht«, sagte Magnus entschlossen und nahm widerwillig Heriberts Hilfe dabei an, sich aufzurichten, »denn dein
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