Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
Lippen, »… ich weiß nicht, wo wir unterkommen können«, gestand er dann. »Nicht zu zweit und nicht zu dritt. Vielleicht … vielleicht wenn wir nach Lund zögen … meine Mutter würde uns wohl aufnehmen. Aber mein Vater und mein Bruder …«
Die Wahrscheinlichkeit, dass ihn sein Vater und Sven gleich am Tag nach seiner Ankunft an Waldemars Männer ausliefern würden, war groß.
»Wir können nach Rujana«, sagte Amra schließlich. »In meinem Dorf wird man uns aufnehmen. Man kennt mich allerdings auf Arkona …«
Sie schwieg. Wenn sie nach Vitt zurückgingen, würden sie auf Gedeih und Verderb vom Schweigen der Fischer abhängig sein. Das konnte gut gehen, aber war es sicher genug? Amra dachte vage darüber nach, dass ihr der Ortsvorsteher Admir noch etwas schuldete. Ohne sie wäre seine Tochter auf dem Sklavenmarkt von Mikelenburg geendet. Wenn sie allerdings nur einer verriet, wenn einer von Tetzlavs Rittern sie zufällig sah und wiedererkannte, dann würde es zumindest eine Untersuchung der Vorfälle geben. Und Jaromar, der neue Fürst, war Waldemar treu ergeben und wohl aus Überzeugung Christ.
Magnus rieb sich die Schläfe. Er überlegte, ob er aussprechen sollte, was ihm durch den Kopf ging, aber wie es aussah, war Herr Baruch von Stralow die einzige Hoffnung für die beiden.
»Amra, und was ist … was ist mit deinem Vater?«
D ER S CHATZ DES G ÖTZEN
Stralow – Rujana
1171 bis 1172
Kapitel 1
A ber der Herr Baruch ist Jude … Wenn ich seine Tochter wäre, wäre ich dann nicht auch Jüdin?«
Amra saß auf dem Bock ihres kleinen Wagens und hielt Sternvürbes Zügel, während Wuff neben ihr lag, den Kopf auf ihren Schoß gebettet und anbetend zu ihr aufschauend. Auch ihm schien die Wanderschaft zu reichen, er ließ sich gern mal kutschieren. Magnus ritt neben dem Planwagen her und hörte sich zum wiederholten Mal all die Einwände an, die Amra gegen eine Verwandtschaft mit Baruch von Stralow ins Feld führte. Die junge Frau konnte es einfach nicht glauben, dass Baruchs Vaterschaft für jeden erkennbar gewesen war, der ihn je bei Licht und barhäuptig gemeinsam mit ihr gesehen hatte. Natürlich war sein rotes Haar inzwischen fast weiß, aber die grünen Augen waren nicht zu verstecken.
»Eben nicht«, antwortete Magnus gleichmütig auf ihre Frage – nicht zum ersten Mal, das Thema beschäftigte sie schon während der ganzen Reise. Die beiden hatten sich in Lübeck von Graubart und seiner Truppe getrennt und fuhren in Richtung Stralow. »Das Judentum vererbt sich über die mütterliche Linie. Und das ist wohl auch der Grund, warum Herr Baruch deine Mutter nie geheiratet hat.«
Magnus hatte diese Einzelheiten auch nicht gewusst, aber der weit gereiste Graubart kannte sich aus. Magnus brauchte nur die Antworten zu wiederholen, die der Magier Amra schon am Feuer der Gaukler gegeben hatte.
»Herr Baruch konnte weder sie noch dich mit nach Stralow nehmen, wenn er nicht von seiner Gemeinde ausgeschlossen werden wollte. Deshalb der Hof auf Rujana, wo er euch alles zukommen ließ, was ihm nur möglich war. Aber ehrbar machen konnte er deine Mutter nicht.«
Amra verzog den Mund. Das Thema ›Hochzeit‹ stand zwischen ihnen beiden, seit Magnus von seinem Kind wusste. Er wollte Amra seitdem unbedingt zu seiner Frau machen, allerdings wusste er nicht so recht, wie er das anstellen sollte. Schließlich konnte er nicht mit ihr in den Kreis der Ritter treten, und eine Kirche, in der sie sich einsegnen lassen konnten, hatten sie auch nicht.
»Und ich kann dich auch nicht ehrbar machen«, klagte Magnus, »wir haben ja nicht mal einen Namen.«
Graubart und seine Leute fanden eine offizielle Heirat dagegen ebenso wenig dringlich wie Amra. Den Gauklern genügten ein Gelöbnis und ein rauschendes Fest mit der Reisetruppe, um den Bund der Ehe zu schließen. Genug Musikanten waren ja da, und ein Schausteller fungierte auch gern lachend als Pfarrer. Amra wollte sich diesem Spiel gern unterwerfen, aber Magnus wünschte sich etwas Zeremonielles, das nicht nur vor dem Fahrenden Volk Bestand hatte, wie er sich ausdrückte, sondern vor Gott und allen Menschen.
Schließlich hatten sie das Thema aufgeschoben – auch deshalb, weil das Wetter seit Tagen schlecht war und keiner Lust auf ein Fest unter freiem Himmel verspürte. Graubarts Truppe hatte sich zudem schnell zerstreut, jeder gedachte nur noch, rasch in sein Winterquartier zu kommen.
Auch Amra und Magnus wurden die letzten Tage der Reise lang, ihnen war
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