Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
zurück. Und ich zahl euch auch was für die Milch und die Eier.« Zwonimir hatte ein kantiges Gesicht mit starkem Bartwuchs. Unter dichten Brauen schauten forschende braune Augen hervor. »Oder habt ihr den Hof gekauft von den Erben?«
Amra lächelte ihm zu und versicherte ihm, dass die Rückgabe der Tiere sie freuen würde, er ihnen aber selbstverständlich nichts schulde.
»Ich bin Kresimirs Nichte«, stellte sie sich vor. »Und das ist Magnus, mein versprochener Gatte. Und …«
»… ein Freund«, beeilte sich Baruch zu versichern. »Baruch von Stralow, Handelsherr. Frau Mirnesa, Frau Amras Mutter, führt mir den Haushalt in Vitt.«
Zwonimir nickte und hielt Magnus die Hand entgegen, die eher einer Pranke glich. »Dann auf gute Nachbarschaft, Magnus … das ist aber kein ranischer Name?«
Kurze Zeit später hatten Magnus und Zwonimir den Wagen abgeladen und fanden sich in ein angeregtes Gespräch über Landwirtschaft auf Rujana und Dänemark vertieft. Dabei verständigten sie sich mit Händen und Füßen, denn mit Magnus’ Ranisch war es nach wie vor nicht weit her. Der Krug besten Weins, den Baruch aus seinem Gepäck holte, während Amra den Ofen anfeuerte, löste jedoch die Zungen. Die Männer waren bald beste Freunde. Gegen Abend erschien dann auch Zwonimirs Frau Jovica, neugierig darauf, warum ihr Mann so lange bei den neuen Nachbarn blieb. Sie brachte einen Korb voller Gastgeschenke mit: Brot und Fleisch, Käse und getrockneten Fisch – und einen Krug selbst gebrautes Bier. Noch einmal wurde auf gute Nachbarschaft angestoßen.
»Das ist schön, dass hier wieder Leben kommt auf den Hof!«, freute sich Jovica und prostete Amra zu. »Und bald braucht ihr wohl auch eine Wiege, nicht?« Sie wies vergnügt auf Amras Bauch. »Das wird Katica freuen. Es gibt viel zu wenig zu tun hier für sie.«
»Katica ist die Hebamme?«, fragte Amra und wurde gleich unter dem Siegel der Verschwiegenheit darüber aufgeklärt, dass die alte Katica eigentlich viel mehr war.
»Natürlich bringt sie hier die Kinder zur Welt. Aber sie opfert auch der Göttin. Früher, ja früher, bevor die Dänen kamen …«, Jovica bemühte sich, Magnus nicht zu vorwurfsvoll anzuschauen, »… da kamen die Frauen von weit her zu Katica und den anderen Priesterinnen. Da haben wir hier auch getanzt und Blumen gepflückt, um die Göttin zu ehren, und im Frühjahr zogen wir über die Felder, wir Frauen, und die Göttin fuhr in Katica und segnete die Frucht. Aber jetzt … jetzt sind wir natürlich alle gute Christen.«
Jovica bemühte sich, ihre Erzählung glaubhafter zu machen, indem sie sich bekreuzigte. Nicht ganz richtig allerdings, anscheinend hatte ihr nie jemand gesagt, dass man die Stirn zuerst berührte.
Magnus verstand nur das Wort »Christ« und griff es auf. »Der Priester hier …«, er wandte sich an Jovica und Zwonimir, »… glaubt ihr, er würde unsere Ehe segnen? Bisher haben wir uns nur vor Freunden Eide geschworen.«
Zwonimir lachte ein dröhnendes Lachen. »Wenn ihr ihm sagt, wie das geht«, höhnte er.
Der Hüne verriet seinen neuen Nachbarn, dass es sich bei Vater Jozef, wie man ihn nun nannte, um einen ehemaligen Svantevit-Priester handelte. Er hatte sein Mäntelchen gleich nach der Christianisierung nach dem Wind gehängt und war nach kurzer Schulung zum Christenpriester geweiht worden. Von den Zeremonien der Kirche wusste er kaum mehr als seine Schäfchen, und wenn man mit wirklich ernsten Sorgen zu ihm kam, dann opferte er auch schon mal ein Schaf oder vergrub Perlen im Umfeld der Kirche – das er stets peinlich sauber hielt und bei dessen Betreten er wie vor dem Svantevit-Tempel die Luft anhielt.
»Katica kann dich segnen, Amra!«, sagte Jovica freundlich zu ihrer neuen Nachbarin. »Die Göttin wird ein Auge halten auf dich und dein Kind.«
Baruch wandte nur den Blick gen Himmel zu seinem Gott Israels, der, so hoffte er, Langmut zeigte gegenüber all diesen seltsamen Segen. »Auf jeden Fall könnt ihr eine große Hochzeit feiern«, meinte er schließlich und zwinkerte Amra zu. »Der Brautvater wird sich nicht lumpen lassen, denke ich. Es gibt Wein und Bier und Essen für das ganze Dorf!«
Die Hochzeitsfeier erwies sich dann als wahrer Segen – gerade jetzt, da der Winter begann, und in vielen ärmeren Häusern gedarbt wurde. Die Dörfler nutzten die Gelegenheit, sich einmal richtig satt zu essen und sprachen danach nur mit den wärmsten Worten von den neuen Leuten auf Kresimirs Hof. Der Priester gestaltete
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