Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
weltliche Hilfe«, bemerkte sie schließlich, nachdem die Haushälterin die zweite von Baruch georderte Karaffe Wein mit einem unwilligen Brummen auf den Tisch gestellt hatte. »Wir müssen irgendwo unterkommen, Herr Ba … Vater. Zumindest über den Winter. Wir und das Kind. Ich bin guter Hoffnung.«
Baruch von Stralow lächelte. »Das ist nicht zu übersehen, Amra. Und ich kann dir kaum sagen, wie sehr es mich freut!«
»Wir müssen auf Dauer irgendwo unterkommen!«, griff Magnus die Frage nach einem Heim wieder auf. »Wenn das Kind da ist, können wir nicht mehr mit den Gauklern herumreisen, das seht Ihr doch sicher genauso, Herr Baruch. Mein Sohn wird ein …«
»Dein Sohn wird kein Ritter sein, Magnus.« Amra strich sanft über seine Schulter. »Schlag dir das aus dem Kopf. Aber vielleicht … vielleicht ein Kaufmann?« Sie sah Baruch hoffnungsvoll an.
Der Kaufmann blickte zweifelnd drein. Natürlich könnte er einen Erben für sein Geschäft aufbauen, obwohl das seinen Neffen Daniel, den er seit Jahren einarbeitete und der gut einschlug, hart treffen würde. Aber ob Magnus da der Richtige war? Er schätzte den jungen Mann durchaus, aber er kannte die Ritterschaft. Die meisten Ritter konnten nicht einmal lesen und schreiben, und auch wenn das bei Magnus sicher nicht der Fall war – das Rechnen durfte kaum zu seinen Stärken gehören. Zumindest nicht in den Dimensionen, die es brauchte, um ein Handelshaus zu führen. Auch Diplomatie war den meisten Rittern nicht gegeben – Baruch hatte schon den Erzählungen der beiden von ihrem Leben bei den Schaustellern entnommen, dass Magnus oft angeeckt war. Und dieser junge Mann sollte nun Verhandlungen führen, feilschen, sich mitunter beleidigen und brüskieren lassen?
»Wie wäre es denn mit einem Bauernhof?«, fragte er schließlich. »Ein Bauernhof in Jasmund. Aber es ist kein Landgut, Herr Magnus! Ein Lehen mit einem angeschlossenen Dorf und hundert tributpflichtigen Bauern habe ich nicht zu vergeben …«
»… aber einen Bauernhof?«, fragte Magnus verwundert und lachte beklommen. Nach allem, was er wusste, handelte Baruch von Stralow mit Gütern, nicht mit Land.
Baruch nickte. »Erinnerst du dich an deinen Oheim Kresimir?«, wandte er sich an Amra. »Du hast ihn als Kind ein paarmal besucht, deine Mutter …«
Er brauchte nicht weiterzusprechen, Amra nickte eifrig. Sie erinnerte sich noch gut an den dichten Wald, dem die wenigen Felder der Siedlung unterhalb der Burg am Schwarzen See nur mühsam abgerungen worden waren. Vor allem aber hatte das tiefdunkle, geheimnisvolle Gewässer sie beeindruckt, über das eine Brücke zur Burg führte. Eine unscheinbare Burg, verglichen mit Arkona, gehalten von einem entfernten Verwandten des Fürsten. Und ein winziges Heiligtum, gewidmet der Göttin Mokuscha, welcher der See geweiht war.
Auch die Siedlung war sehr klein gewesen, gerade mal zehn oder zwanzig Familien bestellten hier das Land oder waren als Handwerker und Bedienstete auf der Burg tätig. Oheim Kresimir besaß einen der größeren Höfe – auch der allerdings so klein, dass der Oheim ihn gemeinsam mit nur einem einzigen Knecht bewirtschaften konnte. Amra erinnerte sich noch daran, es komisch gefunden zu haben, dass weder Bauer noch Knecht eine Frau oder Kinder hatten. Sie teilten sich einträchtig die Kate und schienen nur für ihren Hof zu leben. Mirnesa hatte immer darüber geschimpft, dass ihr Bruder sich so gar nicht anstrengte, eine Familie zu gründen. Bei ihren seltenen Besuchen hatte sie stets davon gesprochen, das Haus des Oheims einmal gründlich putzen zu wollen, aber Amra war es immer untadelig sauber und ordentlich erschienen. Auch den Oheim fand sie nicht seltsam, sondern freundlich und langmütig. Sie half ihm gern im Stall und auf den Feldern und horchte auf die Schauergeschichten, die er nicht müde wurde zu erzählen. Noch Wochen nach ihren Besuchen träumte Amra von Dämonen und Waldgeistern und von der Göttin Mokuscha, die im See unterhalb der Burg badete.
»Nun, Kresimir ist vor ein paar Monaten gestorben«, eröffnete ihr nun Baruch. »Und der Hof ist seitdem verwaist. Ich wollte ihn eigentlich verkaufen, ihr müsst wissen, dass er mir gehört. Es gab vor vielen Jahren eine seltsame und hässliche Geschichte rund um Kresimir, die ihn veranlasste, aus Vitt fortzugehen. Mirnesa machte sich große Sorgen, und so erstand ich diesen Hof nahe der Burg am Schwarzen See und übergab ihn deinem Oheim und seinem … hm … Knecht – zur
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