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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Amra, sich im Wasser zu spiegeln. Amra sah zwar nicht mehr als Schwärze in dem See, dessen Grund moorig war, doch Danija lächelte so liebevoll, als erkenne sie darin ein Kindergesicht.
    »Deine Tochter wird wunderschön werden«, verriet sie Amra. »Aber … aber da ist etwas Schwarzes hinter dir. Ich … ich spüre Gefahr für die Mädchen des dunklen Sees.«
    Amra und Mirnesa wichen betroffen zurück, als die junge Frau plötzlich aufschrie und die Hände vor das Gesicht schlug. »Ich sehe Opfer … ich sehe Opfer für die Göttin«, stöhnte sie.
    Mirnesa blickte sie entsetzt an, aber Amra schüttelte sie. »Danija, Danija, wach auf, was ist denn über dich gekommen? Es gibt keine Menschenopfer mehr. Erst recht nicht hier, hier hat es doch wohl auch nie welche gegeben.«
    Die Göttin Mokuscha hatte keine große Bedeutung im Götterhimmel der Ranen. Soweit Amra wusste, hatte sie niemals Menschenopfer gefordert. Als Erd- und Fruchtbarkeitsgöttin wurde sie vor allem von Frauen verehrt, die sie um Beistand bei der Geburt anflehten, und von der Bauernschaft, die sich bessere Ernten erhoffte, wenn sie Mokuscha huldigte. Man opferte ihr Getreide und Früchte, die man in den See warf oder auch einfach den Priesterinnen übergab. Sie ernährten sich von diesen Spenden. Reich wie das Orakel des Svantevit war die Kultstätte am Schwarzen See nie gewesen.
    Danija kam nur langsam wieder zu sich, und als sie die Augen aufschlug, weinte sie. »Ich weiß«, flüsterte sie auf Amras Vorhaltungen hin. »Ich weiß es ja. Aber ich hörte das Wort Opfer, und das Wasser meiner Quelle färbte sich rot von Blut.«
    Amra suchte die Priesterinnen kein weiteres Mal auf. Danijas Visionen hatten erschreckend real gewirkt, sicher hatte sie sich all das nicht ausgedacht, wie Amra ihre Orakelsprüche auf dem Jahrmarkt. Aber sehr wahrscheinlich schien ihre Vorhersage nicht. Rujana drohte weder ein Krieg, noch würden die blutrünstigen Rituale wiederbelebt werden. Und Amras Kind wäre ganz bestimmt nicht darin verwickelt. Vielleicht stimmte einfach etwas nicht mit Danijas Kopf. Man musste ja seltsam werden, wenn man so allein im Wald aufwuchs …
    Amras Wehen setzten im zweiten Monat nach dem großen Fest der Christen ein, mit dem sie die Geburt ihres Gottes feierten. Es war eiskalt, und die Insel lag seit Tagen unter einer Schneedecke. Auf dem See der Göttin kämpfte eine Eisschicht mit dessen Schwärze.
    Der aufgeregte Magnus alarmierte Jovica, die gleich ihre älteste Tochter, ein aufgewecktes braunhaariges Mädchen, zu Katica schickte. Anstelle der alten Hebamme erschien allerdings Danija.
    »Meiner Mutter geht es nicht gut bei dieser Kälte«, erklärte die junge Frau. »Aber sie meint, es würde keine schwere Geburt, ich könnte das allein.«
    Danija selbst schien auch keine Zweifel zu hegen, während Magnus wieder kurz davor stand, aufzubrausen. Was fiel der Hexe ein, ihnen einfach die Tochter zu schicken, die sicher nicht so viel Erfahrung hatte?
    »Sie macht das schon«, beschwichtigte Amra und stöhnte.
    Sie wusste nicht viel über Geburten, aber dass ihre zügig voranging, blieb ihr nicht verborgen. Das Kind drängte zur Welt, und Amra war gesund und breit genug gebaut, um es leicht gebären zu können. Danijas Hilfe beschränkte sich denn auch darauf, ihr einen Tee zu kochen, der den Wehenschmerz linderte, ihre Hände zu halten, wenn sie presste, und schließlich das Kind entgegenzunehmen, das leicht und schon nach wenigen Stunden in die Welt glitt.
    »Da ist sie!«, sagte Danija mit dem gleichen, strahlenden Lächeln, das sie beim ersten Blick in den See gezeigt hatte. »Schau, sie hat rotes Haar wie du!«
    Amra sah verzückt auf das winzige Wesen, das Danija rasch abwusch, in ein Tuch wickelte und ihr in den Arm legte. Das Köpfchen der Kleinen war tatsächlich mit rotem Flaum bedeckt, und ihr winziger Mund machte bereits Saugbewegungen.
    »Sie ist hungrig, das ist gut. Du kannst sie gleich anlegen. Das ist auch sicherer. Die Boginki wagen sich nicht aus dem Wald, wenn das Kind kräftig ist und seine Mutter schon kennt.«
    Sicherheitshalber verbrannte die junge Hebamme aber auch noch Kräuter, um die Waldgeister fernzuhalten, die Neugeborene gern gegen Wechselbälger eintauschten. Dann ließ sie Magnus ein, der mit Zwonimir in der Stube gewartet und seine Angst mit Wein betäubt hatte.
    »Ein Mädchen?«, fragte er fast ein wenig enttäuscht, als Amra ihm das Neugeborene entgegenhielt.
    Amra blitzte ihn an. »Ein Mädchen,

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