Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
Verwaltung. Das ging alles sehr gut, über viele Jahre, sie zahlten sogar eine kleine Pacht. Doch jetzt sind beide tot, und ich weiß nicht, was ich mit dem Hof anfangen soll. Wenn es Euch also gelüstet, Euch als Landwirt zu erproben, Herr Magnus?«
Der Kaufmann wirkte argwöhnisch, aber Magnus’ helle Augen leuchteten auf. »Ich bin von Kind an Landwirt, Herr Baruch!«, erklärte der junge Ritter eifrig. »Gut, wir sind von Adel, das Lehen meiner Familie jedoch ist klein, mein Vater arbeitete stets gemeinsam mit seinen Leuten auf den Feldern, desgleichen mein Bruder und ich. Ich kann pflügen und eggen – und ich tu’s gern. Es ist doch eine ehrliche Art, sein Brot zu verdienen.«
Amras Lippen wurden schmal, da er damit natürlich andeutete, Bauchtanz und Pferdeorakel wären es nicht gewesen, aber ihr Herz schlug bei Baruchs Angebot genauso heftig wie seines. Wieder auf Rujana leben, doch weit genug entfernt von Arkona, sodass ihre Rückkehr kein Aufsehen erregen würde. Ein Bauernhof, ein Haus, Schafe und Ziegen, vielleicht eine Kuh … Nachbarn, die zu Besuch kamen – und ein zufriedener Magnus an ihrer Seite.
»Ich würde auch gern zurück nach Rujana!«, erklärte sie, als Baruch sie fragend ansah. »Wenn Ihr … wenn du uns den Hof überlassen würdest … wir würden sicher das Beste daraus machen!«
Baruch lächelte. Bei Amra hatte er da keine Zweifel. Wahrscheinlich musste man nur aufpassen, dass sie kein einträgliches Mokuscha-Orakel ins Leben rief, wenn es mal zu einer Missernte kam. Ob Magnus allerdings wirklich mit dem einfachen Leben zurechtkam? Aber Baruch war bereit, dem Ritter eine Chance zu geben.
Kapitel 2
B aruch bestand darauf, Magnus beim Kauf eines Gespanns von Arbeitspferden unter die Arme zu greifen. Dem jungen Ritter fiel es schwer, sich dafür von seinem Streithengst zu trennen, aber den würde er nun wirklich nicht mehr brauchen. Amra dagegen durfte ihre Sternvürbe behalten.
»Du willst doch sicher mal nach Vitt reiten und deine Mutter besuchen«, meinte Baruch freundlich. »Mirnesa würde es freuen, dich öfter zu sehen.«
Das junge Paar setzte also mit drei Pferden und einem von Baruch großzügig mit Möbeln, Lebensmitteln und Saatgut beladenen Leiterwagen von Stralow nach Rujana über und fuhr dann weiter auf die Jasmunder Halbinsel. Baruch ließ es sich nicht nehmen, die beiden zum Schwarzen See zu begleiten. Wie Amra hatte auch er die Siedlung seit Jahren nicht besucht, aber sie hatte sich kaum verändert. Ein paar mehr Waldstücke waren gerodet worden und es gab jetzt eine Kirche mitten im Wald. Der Priester betreute sowohl das Dorf als auch die zwischen See und Klippen gelegene Burg als Hofgeistlicher.
»Nah an den Felsen sind wir hier, falls es dich nach Klettern gelüstet!«, neckte Amra Magnus.
Tatsächlich lagen die eindrucksvollsten Kreidefelsen der Insel oberhalb der Burg.
Den Hof von Oheim Kresimir fand Amra sofort wieder. Sie erinnerte sich gut an das hübsche reetgedeckte Holzhaus, das Stallgebäude und die umliegenden Felder. Das Haus schien Amra klein, aber ordentlich und sauber. Ofen und Feuerstelle wirkten gepflegt, unter dem Vordach war Holz gestapelt. Sie würden gleich am Abend ein Feuer entzünden können und es warm und gemütlich haben. Amra freute sich auch schon darauf, hier zu kochen. Sie war die offenen Feuer, die Wind und Regen ständig auszulöschen drohten, gründlich leid.
»Wo sind denn die Tiere?«, fragte sie dann, als sie die Ställe besichtigte.
Die Verschläge und Schweinekoben waren sauber, aber verwaist. Ob Kresimir das Vieh verkauft hatte, bevor er gestorben war? Amra überlegte, wie viel Kleinvieh hier wohl hineinpasste, während Magnus es kaum erwarten konnte, seine Scholle abzuschreiten. Er hätte zu gern eine Wintersaat ausgebracht, dafür war es jedoch zu spät. Längst stoben Stürme über Rujana, obwohl es in den Wäldern nahe des Schwarzen Sees geschützter war als in Vitt direkt am Meer.
Bevor Baruch noch auf Amras Frage reagieren konnte, erschallte von der Stalltür her eine Stimme: »Das Vieh könnt ihr zurückhaben.«
Amra, Baruch und Magnus schauten den Mann, der eben im Eingang der Stallgebäude erschien, erschrocken an. Er war hünenhaft und kräftig und füllte die Tür fast gänzlich aus, aber er wirkte freundlich.
»Ich bin Zwonimir, der nächste Nachbar. Als Kresimir starb, hab ich die Schweine und die Kuh rübergeholt. Und meine Frau die Hühner. Wenn ihr seine Erben seid, dann geb ich sie natürlich
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