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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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an. »Ich? Verwöhnt? Ich war eine Sklavin auf Arkona, und dann eine Geisel, ich …«
    »Du standest immer unter dem Schutz dieses Kaufmanns, Baruch von Stralow. Und ja, er hat mich tatsächlich instruiert, dir alles so einfach wie möglich zu machen, dich so weit es geht in der kurzen Zeit in die Gepflogenheiten des Adels einzuweisen.«
    »Und?«, fragte Amra schnippisch. »War ich eine gute Schülerin?«
    Mariana seufzte. »Du bist ein kluges Kind, Amra, mit rascher Auffassungsgabe. Es nützt dir nur gar nichts, wenn du auftrittst wie eine Prinzessin, aber immer noch so denkst wie ein Bauernmädchen.«
    »Ich denke, was ich will!«, trotzte Amra. »Und ein Bauernmädchen … nun, zumindest kennt es meist den Mann, mit dem es verheiratet wird, und manchmal liebt es ihn auch.«
    Amra bemühte sich, an ihrer Wut festzuhalten, doch bei ihren letzten Worten kämpfte sie mit den Tränen. Mariana legte sanft den Arm um sie, vorsichtig, um ihr Haar nicht wieder durcheinanderzubringen.
    »Es ist beneidenswert … das Bauernmädchen«, sagte sie dann leise. »Aber es zahlt für seine Freiheit. Es arbeitet hart, es lebt in kleinen, zugigen Häusern. Es hat kaum eine Freude, außer vielleicht der Liebe seines Mannes, und glaub mir Kind, die nutzt sich ab. Es kennt keine Poesie, keine Musik, irgendwann hat es keine Träume mehr. Es trägt harte, kratzige, schmutzige Kleider. Es stirbt früh, meist im Kindbett.«
    Amra lauschte schweigend. Mariana hatte Recht. Sie selbst hatte sich sehr schnell an die Annehmlichkeiten des Lebens einer Adligen gewöhnt. Die schönen Kleider, das Pferd, das Bad in der Ritterburg …
    Mariana schien ihr anzusehen, was sie dachte. »Auch wir zahlen«, sagte sie dann. »Wir leben im Luxus, wir tun nichts, außer ein bisschen Handarbeit oder Buchführung … aber dafür nehmen wir in Kauf, dass unsere Väter und später unsere Männer nichts anderes in uns sehen als Pfänder ihrer Macht und Gefäße für ihren ach so kostbaren Samen. Meinst du, mir hat es gefallen, erst einem unbekannten dänischen Herzog anverlobt zu werden und dann einem ranischen Gauner? Glaubst du, mir gefiel der Hof von Arkona – in dem die Bücher erst Einlass fanden und Musik durch die Räume klang, als zwei orientalische Lustsklavinnen eintrafen? Du kennst Königin Libussa, sie kann kaum lesen und schreiben. Und glaubst du, es gefiel mir, jeden Tag dem blutigen Kult dieses Götzen zuzusehen? Ich war Christin, Amra! Als ich entführt wurde, war ich noch gläubig!« Mariana seufzte. »Und glaubst du, Kind, dass es der kleinen englischen Prinzessin gefällt, heute Morgen mit einem Mann vermählt zu werden, der fast dreißig Jahre älter ist als sie? Denkst du nicht, auch sie träumt eher von einem hübschen Prinzen – sofern sie überhaupt schon an einen Mann denkt und nicht noch mit Puppen spielt?«
    Jetzt war es Mariana, die Amra anblitzte. Amra hatte die Edelfrau nie so aufgewühlt und so zornig gesehen. Sie senkte den Kopf.
    »Also nimm dein Schicksal an, Amra«, sagte Mariana schließlich. »Und wenn du die Worte einer erfahrenen Frau hören willst – vergiss, was dein Herr Baruch dir geraten hat. Hoffe nicht auf die Gunst der Herzogin, buhle um die des Herzogs! Als seine Kurtisane hättest du Macht. Nicht viel, aber ein bisschen. Mache ihn glücklich, nimm seine Geschenke an, zeige dich unersättlich, was Schmuck und Geschmeide angeht. Wenn er dann eines Tages genug von dir hat, bist du reich. Und magst etwas von der Freiheit zurückgewinnen, die du dir so sehr wünschst …«
    Amra biss sich auf die Lippen. Magnus hatte ihr genau das gesagt, wenn auch in weniger klaren Worten. Aber sie wusste nicht, ob sie es über sich bringen würde. Sie konnte sich nicht derart verstellen.
    »Und nun komm, wir müssen gehen. Dein Ritter wartet …«
    Mariana stand auf. Und Amra schaute sie ein weiteres Mal fassungslos an. Also hatte sie auch das gewusst. Sie hatte ihr die kurze Zeit mit Magnus geschenkt …
    Mariana wich dem Blick der Jüngeren aus, und Amra fragte sich, was sie in ihren Augen gelesen hätte. Hatte es vielleicht auch für Mariana einst einen Magnus gegeben? Träumte die alte Edelfrau noch heute von den Armen eines jungen Ritters, einer verbotenen Liebe? Und hatte sie, Amra, vielleicht Glück, dass sie als Kurtisane ausersehen war und nicht als Ehefrau?
    Deutlich milder gestimmt folgte sie Mariana vor das Zelt und sonnte sich in Magnus’ bewundernden Blicken.
    »Wie wunderschön du aussiehst, Amra!«, brach es aus

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