Die Geisel
Schwanz an meinen Schenkeln, meinem Po und meinem Schoß.« Katrine schüttelte ohnmächtig den Kopf. »Ich weiß noch, wie ich geweint und gebettelt habe, dass er aufhört, aber er hat einfach weitergemacht, immer härter und schneller, bis er auf meine Shorts gespritzt hat. Danach hat er mich angelächelt, als wäre nichts geschehen, und hat mir sogar eine Fanta angeboten. Er sagte, dass ich jetzt öfter zu ihm kommen solle. Und wenn mich irgendjemand fragen würde, was ich bei ihm mache, sollte ich einfach sagen, dass ich ihm beim Ausmisten helfe.«
Maja streckte die Hand durch das Fenster und drückte behutsam ihren Arm.
»Ich hab die Fanta stehen lassen und bin nach Hause gegangen. Natürlich habe ich niemandem davon erzählt. Ich schämte mich dafür, wozu er mich gebracht hatte. Nur wegen eines beschissenen Kaninchens.«
Katrine lehnte sich zurück und atmete schwer. Mit den Fingern trommelte sie auf den unteren Teil des Lenkrads.
»Hast du deshalb die Kaninchen freigelassen und die Ställe zerstört?«, fragte Maja vorsichtig.
Katrine schnaubte. »Wer hat denn gesagt, dass ich sie freigelassen habe?«
Maja entgegnete nichts.
»Eine Woche später bin ich mit einem Baseballschläger wiedergekommen, mitten in der Nacht. John war wie üblich total hinüber. Eigentlich wollte ich zu ihm rein und ihm eins überbraten, aber ich hab mich nicht getraut. Stattdessen hab ich meine Wut an den Kaninchen ausgelassen. Ich habe die Tür des ersten Stalls geöffnet, in dem Wuschel zusammen mit drei, vier anderen Kaninchen lag. Alles, was ich an ihnen früher so geliebt hatte, hasste ich nun. Ihr weiches Fell, die großen Hängeohren, die wehmütigen Augen, die immer darum zu betteln schienen, dass man sie umarmte. Sie hatten mich verraten. Hatten mich dazu gebracht, John seinen Willen zu erfüllen. Also schwang ich meinen Baseballschläger und schlug auf die Kaninchen ein. Sie versuchten zu fliehen, aber ich habe ihnen den Weg abgeschnitten und immer weiter auf sie eingeschlagen, bis alles ein blutiges Schlachtfeld war. Ihre leisen Geräusche waren von panischen Schreien abgelöst worden. Irgendwann ist John herausgekommen. Wahrscheinlich war er vom Lärm aufgewacht. Ich kann mich immer noch an sein Gesicht erinnern. Es war starr vor Schreck, als er das Blut, die Fellfetzen und Fleischstücke sah, die an mir klebten. Er wich zurück und schloss von innen die Tür ab. Bevor ich abgehauen bin, habe ich noch den Baseballschläger durch sein Wohnzimmerfenster geworfen.«
Katrine schluckte. »Wenn die Erinnerung an John unerträglich wird, dann denke ich stattdessen an die zerschmetterten Kaninchen. An ihre geborstenen Schädel. Wie sie in Todeskrämpfen im blutigen Stroh lagen.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist doch total krank.«
Maja lächelte sie an. »So unnormal ist das vielleicht gar nicht.« Sie blickte zu Boden. »Und wenn es dir ein Trost ist, dann lass dir sagen, dass John vor zwölf Jahren an Prostatakrebs gestorben ist. Das habe ich in seiner Patientenakte gelesen.«
Katrine zog eine neue Zigarette aus der Schachtel und zündete sie an. »Er durfte also sterben, ohne zur Rechenschaft gezogen worden zu sein.«
»Ja, so kann man das wohl sagen. Obwohl das natürlich kein schöner Tod ist. Ich glaube, ich nehme doch eine.« Sie zeigte auf die Schachtel. Katrine reichte ihr eine Zigarette und gab ihr Feuer.
»Du glaubst wirklich, dass andere seinen Platz eingenommen haben?« Sie schaute Maja prüfend an.
Maja blies den Rauch in die Luft. »Das wird sich zeigen, wenn wir Timmie finden.«
48
Maja und Katrine gingen durch das Vorzimmer des Polizeireviers. Hier war es brütend heiß. Eine Raumpflegerin in Shorts und einem viel zu kleinen Tanktop wischte gerade den Boden. Sie gingen weiter bis an die Schranke. Katrine grüßte ein paar uniformierte Beamte, die an einem der Computer saßen und Online-Poker spielten. Sie waren sehr beschäftigt mit ihrem Spiel und winkten zerstreut zurück.
Maja und Katrine spazierten den Gang hinunter und passierten den Konferenzraum, der als Ermittlungszentrale gedient hatte. Jetzt war der Raum völlig leer. Wo war die ganze Einrichtung geblieben?
»Hier entlang«, sagte Katrine, ohne ihr Tempo zu verlangsamen.
Sie blieben vor Katrines altem Büro stehen. Die Tür war angelehnt. Katrine warf einen raschen Blick hinein. »Komm«, sagte sie und zog Maja in den Raum.
Das Büro roch nach Tom Schæfers billigem Aftershave. Auf dem Schreibtisch stand ein gerahmtes
Weitere Kostenlose Bücher