Die Geisha - Memoirs of a Geisha
getanzt, aber das heißt nicht, daß ich nicht bereit dazu war. Ich hatte so viele Abende in der Okiya verbracht, statt wie die meisten Lerngeishas von einer Party zur anderen zu ziehen, und Tantchen hatte mich so häufig auf dem Shamisen begleitet, damit ich mich im Tanz üben konnte, daß ich im Alter von fünfzehn Jahren bereits den elften Grad erreicht hatte, obwohl ich als Tänzerin kaum mehr Talent besaß als die anderen. Hätte Mameha mich nicht wegen Hatsumomo so energisch vor den Augen der Öffentlichkeit abgeschirmt, ich hätte schon im Jahr zuvor eine Rolle bei diesen Tänzen bekommen können.
Da ich die Rolle erst Mitte März erhielt, blieb mir nur etwa ein Monat, um sie einzustudieren. Zum Glück war mir meine Tanzlehrerin behilflich und arbeitete an den Nachmittagen immer wieder privat mit mir. Da Hatsumomo ihr natürlich nichts davon gesagt hatte, erfuhr Mutter erst mehrere Tage später gerüchteweise bei einem Mah-Jongg-Spiel davon. Als sie in die Okiya zurückkehrte, fragte sie mich, ob es wahr sei, daß ich die Rolle erhalten hätte. Nachdem ich ihre Frage bejaht hatte, ging sie davon – mit einem so verblüfften Ausdruck auf dem Gesicht, als hätte sie ihren Hund Taku dabei erwischt, wie er die Zahlen in ihren Kontobüchern für sie addierte.
Hatsumomo schäumte natürlich vor Wut, aber das kümmerte Mameha wenig. Die Zeit war gekommen, Hatsumomo – wie sie es ausdrückte – aus dem Ring zu werfen.
21. KAPITEL
Etwa eine Woche später kam Mameha während einer Probenpause am Nachmittag zu mir. Aus irgendeinem Grund war sie sehr aufgeregt. Wie es schien, hatte der Baron ihr am Tag zuvor beiläufig mitgeteilt, er werde am kommenden Wochenende für einen gewissen Kimono-Schneider namens Arashino eine Party geben. Der Baron besaß eine der bekanntesten Kimono-Sammlungen von ganz Japan. Die meisten seiner Stücke waren Antiquitäten, hin und wieder jedoch kaufte er das besonders schöne Werk eines lebenden Künstlers. Der Entschluß, einen Kimono von Arashino zu kaufen, hatte ihn zu der Party inspiriert.
»Ich dachte, der Namen Arashino käme mir bekannt vor«, sagte Mameha zu mir, »doch als der Baron mir von ihm erzählte, konnte ich ihn anfangs nicht unterbringen. Er ist einer von Nobus besten Freunden! Erkennst du die phantastischen Möglichkeiten? Ich bin erst heute darauf gekommen, aber ich werde den Baron dazu überreden, Nobu und den Doktor zu dieser kleinen Party einzuladen. Die beiden werden einander auf Anhieb verabscheuen. Und sobald das Bieten für deine mizuage beginnt, kannst du sicher sein, daß keiner von ihnen stillhalten wird, da er doch weiß, daß die Beute dem anderen zufallen könnte!«
Ich war sehr müde, aber um Mamehas willen klatschte ich fröhlich in die Hände und versicherte, wie dankbar ich ihr sei, daß sie sich einen so klugen Plan ausgedacht habe. Und es war sicher auch ein kluger Plan, der eigentliche Beweis ihrer Klugheit war jedoch, daß sie nicht daran zweifelte, den Baron überreden zu können, ausgerechnet diese beiden Herren zu seiner Party einzuladen. Bestimmt würden sie beide nur allzugern kommen – Nobu, weil der Baron ein Aktionär von Iwamura Electric war, obwohl ich das damals noch nicht wußte, und Dr. Krebs, weil… nun ja, weil sich der Doktor für einen Aristokraten hielt – obwohl er vermutlich nur einen einzigen obskuren Vorfahren besaß, der blaublütig war – und es daher als seine Pflicht ansah, an jedweder Festlichkeit teilzunehmen, zu der ihn der Baron einzuladen geruhte. Doch warum der Baron sich einverstanden erklären sollte, die beiden einzuladen – ich weiß nicht recht. Nobu mochte er nicht; das taten nur sehr wenige Männer. Und was Dr. Krebs betraf, so kannte ihn der Baron bis jetzt noch nicht und hätte ebensogut einen Mann von der Straße einladen können.
Doch ich kannte Mamehas wundersame Überredungskünste. Die Party wurde arrangiert, und sie brachte meine Tanzlehrerin dazu, mich am folgenden Sonnabend von den Proben zu befreien, damit ich daran teilnehmen konnte. Das Fest sollte am Nachmittag beginnen und bis nach dem Abendessen dauern, Mameha und ich sollten jedoch erst eintreffen, wenn die Party schon in vollem Gange war. Daher war es ungefähr drei Uhr, als wir schließlich eine Rikscha bestiegen und Kurs auf das Landgut des Barons nahmen, das am Fuß der Berge nordöstlich der Stadt lag. Es war mein erster Besuch auf einem so luxuriösen Anwesen, daher war ich einfach überwältigt von allem, was ich dort sah. Man
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