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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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gegangen. Eine Stunde lang hat er kein Wort gesprochen, dann hat er sich endlich geräuspert und gesagt: ›Das hier ist nicht das Ichiriki.‹ Ich antwortete: ›Da haben Sie völlig recht, das ist es nicht!‹ Daraufhin grunzte er wie ein Schwein und sagte dann: ›Im Ichiriki ist Sayuri.‹ Also habe ich ihn aufgeklärt. ›Nein, Minister, wenn sie überhaupt in Gion wäre, würde sie sofort herkommen und uns Gesellschaft leisten. Aber wie ich Ihnen sagte – sie ist nicht in Gion!‹ Also griff er nach seiner Saketasse…«
    »Ich hoffe, daß Sie ihm gegenüber höflicher waren«, sagte ich.
    »Ganz gewiß nicht! Ich kann ihn nicht länger als eine halbe Stunde ertragen. Danach bin ich für das, was ich sage, nicht mehr verantwortlich. Und genau das ist der Grund, warum ich dich dort brauche! Und behaupte bitte nicht, daß die Entscheidung nicht bei dir liegt. Du bist es mir schuldig, und das weißt du genau. Außerdem möchte ich, ehrlich gesagt, selbst einige Zeit mit dir verbringen…«
    »Und ich würde gern Zeit mit Nobu-san verbringen.«
    »Wenn du kommst, solltest du deine Illusionen aber zu Hause lassen.«
    »Nach diesen letzten Jahren habe ich keine Illusionen mehr, das dürfen Sie mir glauben. Aber denkt Nobu-san an etwas Bestimmtes?«
    »Erwarte nicht, daß ich in einem Monat schon dein danna werde, daran habe ich dabei nicht gedacht. Bis Iwamura Electric sich erholt hat, bin ich nicht in der Lage, dir ein solches Angebot zu machen. Ich mache mir große Sorgen um die Zukunft des Unternehmens. Aber ehrlich gesagt, Sayuri, nachdem ich mit dir gesprochen habe, fühle ich mich schon viel besser.«
    »Nobu-san! Wie freundlich von Ihnen!«
    »Sei nicht albern, ich hatte nicht die Absicht, dir zu schmeicheln. Dein Schicksal und das meine sind eng miteinander verknüpft. Aber wenn Iwamura Electric sich nicht erholt, werde ich niemals dein danna werden. Vielleicht liegt das – genau wie unsere erste Begegnung – in den Händen der Vorsehung!«
    Während der letzten Kriegsjahre hatte ich gelernt, nicht darüber nachzudenken, was mir vorherbestimmt war und was nicht. Den Frauen in unserem Viertel hatte ich immer wieder erklärt, daß ich nicht sicher sei, ob ich nach Gion zurückkehren wolle, aber eigentlich hatte ich immer gewußt, daß ich es tun würde. Denn nur dort wartete mein Schicksal auf mich, oder wie immer man es nennen will. In den Jahren meiner Abwesenheit hatte ich gelernt, das ganze Wasser in meinem Wesen zurückzuhalten, indem ich es sozusagen zu Eis gefrieren ließ. Nur indem ich auf diese Art den natürlichen Fluß meiner Gedanken anhielt, konnte ich das Warten ertragen. Und als ich jetzt hörte, daß Nobu von meiner Bestimmung sprach… nun ja, da hatte ich das Gefühl, als bräche das Eis in meinem Innern auf, um meine Wünsche wieder zum Leben zu erwecken.
    »Nobu-san«, sagte ich, »wenn es so wichtig ist, einen guten Eindruck auf den Minister zu machen, sollten Sie vielleicht den Direktor dazubitten, wenn Sie ihn in ein Teehaus einladen.«
    »Der Direktor ist ein vielbeschäftigter Mann.«
    »Aber wenn der Minister für die Zukunft des Unternehmens so wichtig ist, wird er doch sicher…«
    »Mach du dir Gedanken darüber, wie du nach Gion zurückkommst, ich werde mich um das kümmern, was für die Firma am besten ist. Wenn du nicht bis Ende des Monats wieder in Gion bist, werde ich von dir sehr enttäuscht sein.«
    Nobu erhob sich, um zu gehen, denn er mußte vor dem Abend wieder in Osaka sein. Ich begleitete ihn zur Haustür, um ihm in Mantel und Schuhe zu helfen und ihm den Filzhut auf den Kopf zu drücken. Als ich das getan hatte, blieb er noch eine Weile stehen und sah mich nachdenklich an. Ich dachte, er werde mir sagen, daß er mich schön finde, denn das war eine Bemerkung, die er oft machte, wenn er mich grundlos musterte.
    »Himmel, Sayuri, du siehst aus wie ein Bauernweib!« sagte er mit finsterer Miene. Damit wandte er sich ab.

30. KAPITEL
    Während die Arashinos schon schliefen, schrieb ich an jenem Abend im Licht des tadon, das unter den Farbbottichen brannte, einen Brief an Mutter. Ob nun mein Schreiben seine Wirkung getan hatte oder ob Mutter ohnehin bereit war, die Okiya wieder zu öffnen, weiß ich nicht, doch eine Woche später hörte ich die Stimme einer alten Frau vor dem Haus der Arashinos, und als ich die Tür aufschob, stand Tantchen vor mir. Ihre Wangen waren über dem zahnlosen Mund eingesunken, und das kränkliche Grau ihrer Haut erinnerte mich an ein Stück

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