Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)
meistens aber kann man nur die Ergebnisse sehen. Ich habe schon in Wohnungen gestanden, in denen es aussah, als habe eine Bombe eingeschlagen. Manchmal kippen Schränke um, Gegenstände verteilen sich im ganzen Haus. Die Ansicht einer solchen Wohnung birgt aber nichts Spektakuläres. Spektakulär ist allein die Behauptung der Menschen, dass nicht sie selbst für das Durcheinander verantwortlich sind.
Hans Bender sagte häufig, er versuche, »den Spuk in die Psychologie zu integrieren«. Was heißt das? Auf unseren Reisen fragte er die vom Spuk Betroffenen, ob es in ihrem Leben, in ihrer Beziehung oder in ihrer Familie Probleme gebe. Das war fast immer der Fall. Streit, Stress oder auch unverarbeitete Trauer kann man in Spukfällen oft beobachten. Von Hans Bender stammt die Interpretation, dass der Spuk nicht das Wirken von Geistern sei, sondern der Hilferuf einer besorgten Seele, die leidet. Er hat als Erster den Spuk psychologisch interpretiert. Meines Wissens ist es ihm jedoch nie gelungen, einen Spuk zu filmen. Sein größter Wunsch ist ihm also versagt geblieben, obwohl er sicherlich mehr Spukorte besucht hat als irgendjemand sonst in Deutschland. Irgendwann zog er aus seiner vergeblichen Suche nach dem Spuk einen Schluss. Er fragte sich:
Kann es sein, dass sich Spuk grundsätzlich der Objektivierung entzieht – dass ihn also nur die Menschen erleben, die ihn auslösen oder die in Verbindung mit dieser Person stehen?
Hans Bender entwickelte die Theorie, dass sich Spuk unter Umständen »schabernackhaft« verhält und immer dort auftaucht, wo man ihn nicht vermutet. Tatsächlich war es Bender, dem die sogenannte »Elusivität«, die Flüchtigkeit des Spuks auffiel. Früher dachten die Parapsychologen, es liege am Beobachter, dass man Spuk meist nicht aufzeichnen könne. Der Beobachter, so die Annahme, ist meist nicht schnell und nicht aufmerksam genug. Heute gehen Parapsychologen von folgender Prämisse aus: Der Spuk zeigt sich in den meisten Fällen nur denen, die nicht an Spuk denken, sondern hinter den Phänomenen andere Ursachen – wie zum Beispiel eine technische Störung – vermuten. Allen anderen, die den Spuk zu Gesicht bekommen wollen, bleibt er verborgen. Das ist eine wichtige Erkenntnis und gleichzeitig ein Hemmschuh. Dieser Umstand macht die Spukforschung für viele Außenstehende unglaubwürdig: Was ist das für eine Wissenschaft, die sich mit Erfahrungen beschäftigt, die man nicht beobachten kann?
Nach meinem Diplom in Physik, das ich 1975 mit der Arbeit »Untersuchung zur Penning-Ionisation mit schnellem, metastabilem Helium« abschloss, war ich als Assistent am Physikalischen Institut der Universität Freiburg angestellt. Dort begann ich mit meiner Promotion in Physik. Das war wieder eine sehr schwierige und langwierige Arbeit, vor der man mich ausdrücklich gewarnt hatte. Nach fünf Jahren war die »Untersuchung chemischer Reaktionen in gekreuzten Molekularstrahlen« abgeschlossen. Danach wechselte ich ans Kiepenheuer-Institut für Solarastronomie in Freiburg, wo ich ein optisches Gerät zur Vermessung der Sonnenaktivität testete.
Mit meinem Doktorvater und Physikprofessor verstand ich mich hervorragend. Als ich kurz vor der Verteidigung meiner Doktorarbeit vor dem Prüfungsausschuss bei ihm im Büro saß, fragte er mich nach meinen Plänen.
»Herr von Lucadou, Sie werden sich nun wohl entscheiden müssen.« Er wusste, dass ich während der Arbeit an meiner Promotion immer bei Hans Bender am Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene mitarbeitete, tagsüber in der Physik, abends und nachts in der Parapsychologie.
»Wohl oder übel«, sagte ich und richtete mich im Stuhl auf. Mir war ein wenig unwohl, weil nun, zum Ende der Doktorarbeit in Physik, eine Entscheidung anstand. Würde ich Physiker bleiben? Würde ich zu Hans Bender gehen, der mich schon mehrmals gebeten hatte, an seinem Institut zu forschen? Ein ganzes Studium lang und noch während der Promotion hatte ich mir mit äußerstem Arbeitseinsatz die Wege offen gehalten. »Ich weiß, dass ich mich langfristig nur einem Fach voll widmen kann«, sagte ich meinem Physikprofessor.
Er lächelte, und ich entspannte mich ein wenig. Ich wusste, dass er mich mochte, und mir war vor diesem Gespräch etwas bange gewesen. Meine Sorge war, dass er mich weiterbeschäftigen wollte – auf Kosten der Parapsychologie.
»Sie wissen, dass ich Herrn Bender schätze, dass ich aber skeptisch bin, was seine Arbeit angeht. Er
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