Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
waren hier nicht so lange –, aber wir müßten eigentlich ein paar wirklich gute Stücke unter den alltäglichen Sachen finden, und ein Schlachtfeld ist ja an sich schon von einigem Interesse, finden Sie nicht?«
Ich antwortete nicht sofort, weil ich zu sehr damit beschäftigt war, meine durcheinanderwirbelnden Gedanken zu ordnen. Ein Schlachtfeld? Ein … großer Gott, doch kein römisches Schlachtfeld? Hier in Eyemouth? Kaum zu glauben, und doch … Mein Magen zog sich vor Aufregung zusammen. Ich holte tief Luft. »Ich hoffe, meine Frage ist nicht zu forsch«, begann ich, »aber was genau soll Ihr Team eigentlich ausgraben?«
Die streichelnde Hand auf dem Kater hielt überrascht inne. »Oh, ich bitte vielmals um Verzeihung«, sagte Peter Quinnell. »Ich dachte, Sie wüßten es. Es handelt sich um ein Marschlager, meine Liebe. Ein römisches Marschlager. Frühes zweites Jahrhundert. Obwohl es im Grunde wahrscheinlich eher ein Friedhof ist.« Er sah mich mit durchdringendem Blick an, und zum erstenmal glaubte ich, daß er möglicherweise wirklich verrückt war. »Wir haben die letzte Ruhestätte der Legio IX Hispana gefunden.«
III
Wenn er gesagt hätte, er habe den Heiligen Gral gefunden, wäre ich nicht verblüffter gewesen. Die Neunte Legion – die Hispana –, hier, an diesem Ort! Das schien wirklich unglaublich. Vor allem, nachdem so viele Archäologen so lange nach ihr gesucht hatten, und alle vergeblich. Ich selbst war mittlerweile zu der Überzeugung gelangt, daß das Schicksal der verschwundenen Legion eines der großen ungelösten Rätsel der Geschichte bleiben würde.
Historiker auf der ganzen Welt hatten schon Dutzende von Theorien aufgestellt und erschöpfend darüber debattiert, hielten aber nur wenige konkrete Fakten in den Händen. Alles, was man mit einiger Sicherheit sagen konnte, war, daß die Legio IX Hispana unter der Herrschaft Kaiser Hadrians irgendwann von ihrem befestigten Lager in York nach Norden beordert worden war.
Die Soldaten der Neunten Legion, die schon Veteranen der langen Feldzüge in Wales und des brutalen Kriegs mit Königin Boudicca waren, hatten eine Elitetruppe dargestellt, die normalerweise nicht für kleinere Geplänkel eingesetzt wurde – die Aufgabe der alltäglichen Verteidigung der Frontlinie wurde den Hilfstruppen überlassen. Es bedurfte schon eines wirklichen Notstands, um eine Legion in Marsch zu setzen.
Und es mußte ein beeindruckendes Schauspiel gewesen sein, wenn diese vielen tausend Männer in den Kampf zogen. Im Morgengrauen trafen die Hilfstruppen, bestehend aus Bogenschützen und Kavallerie, ein, die die Vorhut und den Schutzschild für die nachfolgende Legion bildeten. Dann kam der Standartenträger, der den heiligen goldenen Adler des Reiches emporhielt, das Symbol der Ehre und des Sieges. Wenn ein Feind den Adler berührte, brachte er Schande über die Legion; wenn eine Legion ihren Adler verlor, brachte sie Schande über Rom. Dicht beim Adler marschierten die anderen Standartenträger, gefolgt von den Trompetern. Und dann kamen in geschlossener Formation, immer sechs Mann nebeneinander, die Legionäre, bereit für die Schlacht.
Sie waren darauf trainiert, vierundzwanzig römische Meilen in fünf Stunden zu marschieren, und zwar in voller Rüstung, beladen mit Waffen, Werkzeugen und sonstigem schweren Gepäck, und dann am Ende des Tagesmarsches das Nachtlager zu bauen – was keine geringe Aufgabe war, da ein Lager Gräben, Schutzwälle und Palisaden brauchte, um den ledernen Zelten im Inneren ausreichend Schutz zu bieten.
Es waren harte Männer, kampfgestählte Krieger, und eine Legion auf dem Marsch mit ihrem ganzen Gepäcktroß und ihren schimmernden Helmen und Brustpanzern mußte einen Anblick geboten haben, den man nicht so leicht vergaß.
Was das Verschwinden der Neunten Legion um so rätselhafter machte, fand ich. Denn niemand konnte sich an sie erinnern. Oder zumindest hatte niemand sich die Mühe gemacht, Aufzeichnungen darüber zu führen, was mit der Neunten Legion bei ihrer Schlacht im Norden geschehen war, und die Legion selbst war aus den Verzeichnissen des Heeres gestrichen worden. Neuzeitliche Historiker boten verschiedene Theorien als Erklärung an – die Männer der Hispana hatten möglicherweise gemeutert, oder sie waren in Ungnade gefallen, weil sie den Adler verloren hatten … oder sie hatten in der Wildnis dieses barbarischen Landes ein so schreckliches Ende gefunden, daß die Überlebenden nicht in der Lage
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