Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
Auswirkungen seines morgendlichen Abenteuers erkennen. Er konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, Rosehill verlassen zu haben und querfeldein über das Coldingham-Moor gelaufen zu sein – ein Marsch, der nach Davids Schätzung mindestens zweieinhalb Stunden gedauert haben mußte. Noch konnte er uns genau erklären, warum er losgelaufen und was sein Ziel gewesen war. »Der Wächter brauchte mich«, war die einzige Erklärung, die wir aus ihm herausbekommen konnten.
Ich hatte den Verdacht, daß der Wächter mangels eigener Körperlichkeit Robbie auch dazu benutzt hatte, das Fortuna-Medaillon aus dem Lagerraum zu holen und es auf Davids Schreibtisch zu legen. Aber Robbie konnte sich genausowenig entsinnen, in den Principia gewesen zu sein. Seine Erinnerung an die Ereignisse des Tages war bestenfalls verschwommen.
»War ich wirklich in Mister Sutton-Clarkes Auto?«
»Allerdings warst du das.« Adrian, der zusammengesunken in einem Sessel außerhalb des Lichtkegels der Lampe saß, spülte eine weitere Kopfschmerztablette mit einem Schluck puren Gin herunter. »Die Wasserflecken auf den Sitzen sind der beste Beweis dafür.«
Adrian hatte alles in allem beachtliche Haltung bewahrt, stellte ich fest. Als wir mit dem Jaguar im Schlepptau auf Rosehill angekommen waren, war ich auf einen hysterischen Anfall gefaßt gewesen, aber er hatte nur einen trauernden Blick auf die Kratzer und Beulen geworfen, einmal aufgeseufzt und dann zu David gesagt: »Na, wenigstens bist du noch heil. Das ist doch immerhin etwas.« Und mit diesem bemerkenswerten Kommentar hatte er sich umgedreht und war zurück ins Haus gegangen.
David hatte mich mit hochgezogenen Augenbrauen angesehen. »Was war das denn?«
»Ein Anfang«, hatte ich geantwortet und mich lächelnd bei ihm eingehakt.
Ich wußte, Adrian hatte es als eine Art Friedensangebot gemeint, als Geste der Versöhnung und des Einverständnisses. Ich glaubte zwar nicht, daß er und David jemals dicke Freunde werden würden, wenn ich mir die beiden unterschiedlichen Männer von meinem Platz in dem gemütlichen Wohnzimmer aus jetzt so betrachtete; andererseits hatte ich an diesem Tag schon seltsamere Dinge erlebt. Ich hielt nichts mehr für ausgeschlossen.
Das Tröstliche an der Vergangenheit war für mich immer gewesen, daß sie sich in vorhersehbaren Mustern wiederholte, daß man wußte, welche Folgen und Ergebnisse man unter bestimmten Umständen erwarten konnte. Doch heute, hier auf Rosehill, hatte sich derWagen der Vergangenheit von seiner Deichsel gelöst, und die Gegenwart galoppierte weiter wie ein durchgegangenes Pferd, das noch sein Geschirr trug, aber keine Last mehr zog und von niemandem gezügelt werden konnte.
Und so saß Adrian, der mir sonst schon einen Vortrag hielt, wenn ich auch nur die Beifahrertür zu fest zuwarf, nun friedlich in seinem Sessel und hielt den Mund. Und Wally, der aus seinem Haß auf Brian nie einen Hehl gemacht hatte, konnte die Taten seines Schwiegersohns auf einmal gar nicht genug loben.
Brians Benehmen war ebenfalls ein Beispiel für das Durchbrechen alter Verhaltensmuster, dachte ich bei mir. Der selbstsüchtige und eingebildete Brian, der nur seinen Launen folgte und für persönlichen Gewinn und Vergnügen lebte, hatte heute seinen eigenen Hals riskiert, um Peters Ansehen zu retten. Sobald er gehört hatte, daß Robbie in Sicherheit war, hatte er begonnen, den Keller auszuräumen und alles Belastende verschwinden zu lassen. Als der Sturm gerade am schlimmsten war, hatte er die Wodka- und Zigarettenkisten in drei separaten Fuhren von Rosehill House zu ihrem neuen Versteck in der Stadt gefahren. »Und nach all dieser Mühe« beschwerte sich Wally bei uns, »sind die verdammten Zollbeamten noch nich ma gekommen.«
Aber für den Fall, daß sie doch noch kommen sollten, war das Haus jetzt jedenfalls sauber. Peters Ruf und Glaubwürdigkeit würden keinen Schaden nehmen, es würde keine Skandaltitel und keine vernichtende Strafanzeige geben. Die einzige Nachricht in den Klatschspalten würde lauten, daß Peter Quinnells Enkelin, die immer noch unter dem Selbstmord ihres Vaters litt, sich zur therapeutischen Behandlung in eine Privatklink begeben hatte.
»Also war es Fabia«, sagte David, »die an unseren Computern herummanipuliert und die geheimnisvollen Störungen herbeigeführt hat.«
»Und die Peters Notizbuch verschwinden ließ«, fügte ich hinzu. »Und Connelly von unserer Geisterjagd auf dem Feld in jener Nacht erzählte und behauptete,
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