Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
geistesabwesend tat, ohne seine Unterhaltung mit Robbie zu unterbrechen. Hinter ihnen ging ein älterer Mann, den ich nicht kannte, ein kleiner Mann mit leicht gebeugtem Rücken und mürrischem Gesichtsausdruck.
»Wer ist da bei ihnen?«
»Das ist mein Vater«, informierte mich Jeannie, und in ihrer Stimme klang Zärtlichkeit mit. »Stimmt ja, du hast ihn noch gar nicht kennengelernt, oder? Er hat sich letztes Wochenende sehr rar gemacht.«
Rar gemacht, dachte ich nüchtern, war nicht ganz der richtige Ausdruck dafür. Ich hatte den offiziellen Verwalter von Rosehill noch überhaupt nicht zu Gesicht bekommen, aber Jeannie versicherte mir, daß das nichts Ungewöhnliches war. Es gab, nach Jeannies Auskunft, zwei Dinge, die Wally Tyler haßte – allein zu leben und in Gegenwart seines Schwiegersohns zu sein. Was ihn nach dem Tod seiner Frau vor einigen Jahren vor ein Dilemma gestellt hatte. Seine Tochter und seinen Enkelsohn einzuladen, zu ihm zu ziehen und das leergewordene Rose Cottage wieder mit Leben zu füllen, bedeutete eben, auch Brian in seiner Nähe zu haben.
Also hatte Wally Tyler einen Kompromiß gefunden. Wenn Brian McMorran nach Hause kam, ging Wally woandershin.
»Es ist nicht so schlimm, wie es klingt«, beruhigte mich Jeannie lächelnd, als sie meinen Gesichtsausdruck sah. »Brian ist meistens draußen beim Fischen – manchmal vierzehn Tage am Stück, wenn der Fang gut läuft. Und Dad hat Freunde in der Stadt.« Sie trocknete den letzten Teller ab und stellte ihn in den Schrank. »So, was möchtest du zum Frühstück? Es gibt Porridge, oder ich kann dir ein paar Eier machen …«
»Ich esse normalerweise morgens nur Toast.«
»Du hast doch nicht etwa vor, mit nichts als ein bißchen Toast im Magen den ganzen Tag da draußen hinter Peter herzurennen!« Sie fixierte mich mit einem Blick, der mir das Gefühl gab, ebenso alt zu sein wie Robbie, und wiederholte das Angebot von Porridge und Eiern.
Ich gab nach und bat um ein gekochtes Ei.
»Weich oder hart?«
»Wachsweich, bitte.« Ich setzte mich an den Küchentisch und sah wieder aus dem Fenster auf die sich entfernende Gruppe aus zwei Männern, einem Jungen und einem springenden Hund. Jeannie steckte Brot in den Toaster und lächelte.
»Sie werden nicht ohne dich zu graben anfangen«, versprach sie. »Peter und Davy werden noch eine Weile mit den Vorbereitungen zu tun haben, und da mein Dad dabei ist, wäre es ein Wunder, wenn sie den ersten Spatenstich machen würden, bevor du mit deinem Frühstück fertig bist. Würstchen oder Schinken?«
»Du brauchst dir nicht so viele Umstände zu machen …«
»Das sind keine Umstände. Das ist mein Beruf«, erklärte sie geduldig und mit einem amüsierten Zwinkern in den Augen. »Ich bereite das Essen zu, und du ißt es, so läuft das. Also, was soll es sein: Würstchen oder Schinken? Oder möchtest du beides?«
Mit einer solchen Frau konnte man nicht streiten, entschied ich. Und der Teller mit Eiern und Würstchen, den sie schließlich vor mich hinstellte, löste wirklich ein hungriges Knurren in meinem sonst nicht gerade verwöhnten Magen aus. »Das ist köstlich«, gab ich nach dem dritten Würstchen zu. »Vielen Dank.«
»Ach, jeder Dummkopf kann doch ein Ei kochen«, wehrte sie ab. Aus ihrem Ton schloß ich, daß sie das wirklich glaubte, weshalb ich sie lieber nicht desillusionieren wollte, indem ich ihr sagte, daß Eierkochen meine Fähigkeiten bereits überstieg. Statt dessen spießte ich genüßlich ein Stück gebratener Tomate auf und sah zu, wie sie die gerade benutzten Pfannen abwischte.
»Du hast also nicht immer für Quinnell gearbeitet?« fragte ich sie.
»Wie? O nein«, antwortete sie lachend. »Nein, ich gehöre sozusagen zum Haus, genau wie mein Dad. Vor Peter hat die alte Mistress Finlay hier gewohnt, aber dann wurde sie krank und mußte lange ins Krankenhaus. Zuerst hat sich ihr Sohn dann um alles gekümmert, aber er kam immer nur am Wochenende von Edinburgh herunter. Und letzten September tauchte dann Peter auf und wedelte mit einem Bündel Banknoten vor Mister Finlays Nase herum, und damit war die Sache entschieden.«
Geld, stimmte ich ihr zu, konnte wirklich sehr überzeugend wirken, und Peter Quinnell schien mehr als genug davon zu besitzen. Zweifellos ein ererbtes Familienvermögen. Er hatte dieses selbstverständliche kultivierte Auftreten, das nur eine lange Tradition von Privilegien und Reichtum hervorbringt.
»Jedenfalls«, fuhr Jeannie fort, »ist es sehr
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