Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)
fürchte, du hast deine fünf Pfund verloren, Darling«, sagte Adrian leise. Er war anscheinend genauso verblüfft wie ich und löste seine Augen vom Bildschirm, um mich direkt anzusehen. »Das hier ist kein Marschlager.«
DRITTES PFERD
And hear at times a sentinel
Who moves about from place to place,
And whispers to the worlds of space,
In the deep night, that all is well.
Tennyson, »In Memoriam«, CXXV
XVI
Quinnell ließ das Ergebnis nicht gelten. »Ihre Geräte müssen verrückt spielen, mein Junge«, sagte er zu Adrian, während er sich vorbeugte und vorwurfsvoll mit dem Finger auf den Computerbildschirm tippte. »Unregelmäßigkeiten in den Erdschichten, nichts weiter. Oder die Überreste eines Gartenschuppens.«
Mir war klar, warum Peter nicht glauben wollte, daß es sich um die Überreste eines Wachturms handelte. Römische Marschlager besaßen keine festen Bauwerke – nur Forts und Festungen waren mit Wachtürmen ausgestattet.
Und bei unserer Ausgrabungsstätte konnte es sich weder um das eine noch um das andere handeln.
Römische Forts waren viel zu klein für eine Legion. Sie waren gebaut worden, um die immer weiter vordringenden Truppen des Reiches zu verteidigen und mit Nachschub zu versorgen, und wurden mit Hilfstruppen besetzt, nicht mit Legionären. Das berühmte Fort bei Housesteads auf dem Hadrian’s Wall hätte höchstens ein Viertel der Männer einer Legion aufnehmen können, und auch nur dann, wenn die Legionäre Wange an Wange gestanden hätten.
Die Festungsanlage einer ganzen Legion hätte also ein riesiges Gelände umfassen müssen – über zweihunderttausend Quadratmeter. Und wir wußten durch unsere Vermessungen und bisherigen Ausgrabungen, daß der Befestigungsgraben und der Wall auf Rosehill nur eine Fläche von etwa achtzigtausend Quadratmetern umgaben. Wir hatten es also mit einer Größe zu tun, die irgendwo dazwischen lag – zu groß für ein Fort und zu klein für eine Festung. Aber genau die richtige für ein Marschlager.
Dennoch war nicht zu leugnen, daß Adrian bei seiner Untersuchung unten in der Südwestecke auf etwas gestoßen war. Und dieses Etwas sah tatsächlich sehr nach einem Wachturm aus.
Wir standen zu dritt um den Computer und starrten stirnrunzelnd auf den Bildschirm, bis David hinzukam, einen Blick auf die Graphik warf und eine neue Erklärung vorschlug.
»Könnte eine Vexillatio-Festung sein«, sagte er.
Das war durchaus eine Möglichkeit. Eine vexillatio war eine Sondereinheit einer Legion, weshalb deren befestigtes Lager nicht so groß zu sein brauchte wie die Festung einer ganzen Legion und längst nicht so viele Gebäude enthalten mußte. Ich hatte selbst schon einmal bei Clyro in Wales die Festung einer solchen Sondereinheit gesehen, und sie hatte ungefähr die Größe unserer Ausgrabungsstätte gehabt. Und da solche Festungen nur als zeitweilige Basis während eines Feldzugs gebaut wurden, blieben nicht viele Spuren zurück, wenn sie wieder verlassen wurden – ähnlich wie bei einem Marschlager.
Doch Peter wies diese Vermutung ebenfalls kategorisch zurück und weigerte sich, sie auch nur als Möglichkeit einzuräumen. Er wollte schließlich ein Zeugnis aus dem frühen zweiten Jahrhundert finden, und Vexillatio-Festungen stammten im allgemeinen aus dem Jahrhundert davor – aus den Jahren der Eroberungsfeldzüge.
»Nein, nein«, sagte er und tippte wieder ungeduldig auf den Monitor. »Wir werden einen Gartenschuppen oder irgendeinen alten Zaun finden, sonst gar nichts.«
Aber im Lauf der Woche ergab die vorsichtige Erweiterung des Probegrabens eindeutige Hinweise auf Pfostenlöcher, und am Samstag darauf war Peters Optimismus verflogen. »Ein Wachturm«, folgerte er traurig. »Es kann nichts anderes sein.«
Marschlager jedoch waren nie mit Wachtürmen ausgestattet. Was bedeutete, daß es sich bei dem, was wir gefunden hatten, nicht um das Marschlager der Neunten Legion am Vorabend ihrer letzten Schlacht handeln konnte.
Peter seufzte und stocherte mutlos mit einer Schaufel im Erdreich herum. »Nein, das ist wirklich das Schlimmste, was uns passieren konnte.«
Seit ich Peter Quinnell kannte, war dies das erste Mal, daß er unrecht behalten sollte. Denn das Schlimmste trat erst eine halbe Stunde später zutage, und zwar auf der Spitze seiner eigenen Schaufel.
»Und das Allerschlimmste ist«, sagte ich zu Jeannie am nächsten Morgen, als wir in der winzigen, gemütlichen Küche von Rose Cottage saßen, »daß Davids
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