Die Geisterseherin (German Edition)
mit dem Roller Schritt zu halten, was nicht ungewöhnlich für einen Geist war. Für einen Moment musste Mikoto dennoch ihn leise lachen. Es sah lustig aus, wie er hinter dem Roller her schwebte und außerdem war der Kleidungsstil des Geistes wirklich zum schießen. Mikoto fragte sich ernsthaft, wie sie auf die Idee gekommen war, einen Kimono mit einer roten Lederjacke zu kombinieren.
Vor allem jetzt, im Hochsommer.
„Dann würde ich es weiter tun, es gibt sinnlosere Sachen.“, antwortete sie auf Makoto's Frage.
Mit dem Roller erreichten die beiden die Schule bereits eine viertel Stunde früher, als Mikoto eigentlich eingeplant hatte. Sie bedankte sich kurz höflich und lief dann in das Schulgebäude hinein, während Makoto noch einen geeigneten Stellplatz für seinen Roller suchte. Auf den Gängen befanden sich schon eine ganze Menge Schüler, die Klassenzimmer selber aber waren noch relativ leer. Mikoto trat ein und setzte sich grußlos an ihren Platz. Ein paar von den Jungs hatten ihren Eintritt bemerkt und sie beobachtet, die meisten der anderen beachteten sie aber nicht weiter.
Mikoto gefiel das, sie mochte es nicht, wenn sie zu sehr herausstach. „Morgen, Mikoto.“, rief eine Stimme in das Zimmer hinein. Ah, wie passend, das dachte sich Mikoto, als sich kurz nach ihr Yuki an ihren Platz setzte.
„Sei gegrüßt, Yuki.“, erwiderte sie freundlich den Gruß.
„Hui, du drückst dich aber gehoben aus, willst du unserem Geschichtslehrer Konkurrenz machen?“
Mikoto lachte laut.
„Nein, nein. Eine meiner Schulen war nur ein privates Mädcheninternat. Ich war nicht lange dort, aber der dort übliche Gruß hat sich in mein Gehirn eingefräst, den bekomme ich einfach nicht mehr weg.“
Mikoto schaute noch einmal genauer hin, doch es bestand kein Zweifel. Der Geist, der Yuki folgte, war eindeutig eine exakte Kopie ihrer selbst, es gab keinerlei Anzeichen darauf, dass der Geist männlich war. Zudem kam noch die exakte Kopie aller Bewegungen dazu. Wie ein Spiegelbild, das war der einzige wirklich passende Vergleich, fand Mikoto.
Sie kratzte sich am Kopf und versuchte ihre Gedanken um das Problem zu winden, aber es machte alles einfach keinen Sinn. „Hey, Yuki.“, rief eine weitere Stimme in das Zimmer. Auch Steve hatte nun das Klassenzimmer betreten.
„Hast du kurz Zeit, Yuki-chan?“
Er wartete die Antwort gar nicht erst ab, sondern verschwand sofort wieder aus dem Klassenzimmer.
Yuki lächelte kurz, bevor sie zu Mikoto sagte: „Ah, tut mir leid, Mikoto. Ich muss kurz weg.“
„Ganz schön unhöflich, dass er nicht mal auf deine Antwort gewartet hat...“, merkte Mikoto an.
„Ach, das ist schon okay.“
Yuki winkte ab.
„Er ist schließlich Pastafari.“
Mikoto, die gerade ihr Mäppchen aus der Tasche genommen hatte, ließ selbiges beinahe wieder fallen.
„Er ist was?“, fragte sie verwundert.
„Ein Scherz, Mikoto. Das war ein Scherz.“
Yuki lachte und folgte Steve nach draußen.
„Was zum Teufel ist ein Pastafari?“
„Das weißt du nicht?“
Ein Mädchen aus ihrer Klasse hatte das Gespräch zwischen ihr und Yuki wohl mitbekommen. Es war ein hübsches Mädchen mit braunen Haaren, die seitlich in zwei Zöpfen bis zur Schulter herabfielen. „Pastafari sind die Menschen, die an das fliegende Spaghettimonster glauben.“, so klärte sie die verwunderte Mikoto auf.
„Hä? Davon habe ich ja noch nie gehört, wie dämlich ist das denn?“ „Yuki hat das ja auch nicht ernst gemeint. Diese Religion ist eine reine Veralberung anderer Religionen, eine Scherzreligion, wenn man es so nennen will. Steve ist dagegen das Gegenteil, man sieht ihn selten richtig lachen oder Witze reißen. Darum hat sich Yuki auch diesen Vergleich als Scherz erlaubt.“
„Okay, danke. Ich verstehe.“
Das Mädchen lächelte.
„Kein Problem, man kann ja nicht alles wissen. So etwas verstehst du noch von ganz alleine, wenn du die Leute hier besser kennenlernst.“ Sie wandte sich wieder ihrem Textbuch zu, es sah aus, als würde sie Englisch-Vokabeln lernen und Mikoto hielt es für eine gute Idee, wenn sie es ihr gleich tun würde.
„Ach, verdammt... wie schrieb man „fade“ jetzt nochmal...“, bemerkte sie verwundert, als sie auf das noch immer falsch geschriebene Wort in ihrer Hausaufgabe schaute.
Die Pausenklingel kündigte die Mittagspause an und die Schüler erhoben sich, um sich so schnell wie möglich zur Mensa zu begeben – für den Fall, dass sie kein eigenes Essen mitgebracht hatten. Mikoto drehte sich zu Yuki um und
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