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Die Geisterseherin (German Edition)

Die Geisterseherin (German Edition)

Titel: Die Geisterseherin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schwarzenstein
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wieder Sinn zu ergeben. „Seid willkommen, Schwestern, in diesem Saal!“
Ein einzelner Scheinwerfer flackerte auf, sein heller Kegel fuhr einmal durch den gesamten Saal und erleuchtete dann einen kleinen Teil der Bühne. Mikoto musste schlucken, denn als sie die Frau dort erblickte, lief ihr ein eiskalter Schauer über den Rücken – und das obwohl sie diese noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. „Als wir versammelt waren, beim letzten Mal...“
Die Frau fuhr unbeirrt von dem Scheinwerfer oder der Melodie, die das Orchester spielte, mit ihrem Text fort, während Mikoto ein paar Leute über die Zusammenstellung tuscheln vernahm.
Steve zog sich zurück, wie sie geplant hatten. Sie spürte, wie er sie in die Seite stieß... aber sie war wie gefesselt von dem Auftritt der Frau auf der Bühne. Von dem langen, blonden Haar, das bis zu ihrer Hüfte reichte... und von der Tatsache, dass der Ärmel ihres rechten Armes herab hing... als hätte sie auf dieser Seite gar keinen Arm. Aber vor allem von dem Gesicht, das zur Hälfte unter der typischen Maske des Phantoms der Oper verborgen war.
„...war unsere Mahlzeit ein Bauer, ausgemergelt und bleich.“ „Wer... ist das?“, flüsterte sie leise, noch immer im Bann der blonden Frau, die entgegen des ganzen Prunks, das ihre Gäste zur Schau stellten, lediglich ein einfaches, weißes Hemd und einen kurzen, lilafarbenen Rock trug.
„Ihr wart betrübt, aber ich sagte euch; „Ist ein Jahr mager, wird das nächste Jahr...““
In diesem Moment wandte die Frau auf der Bühne ihren Kopf, das nicht verborgene rote Auge lief über die Menschenmenge hinweg und blieb schließlich auf Mikoto haften.
"... REICH!"
In dem Moment, in dem die Frau dieses letzte Wort mehr schrie, als sang, verschwand Mikoto in der Menge.
Getroffen, wie von einem Schlag, zog sie sich zurück, mit wackelnden Beinen und klopfendem Herzen. Stolpernd und schwankend lief sie durch die Menge, in Richtung des Aufgangs, den sie benutzt hatte, um hier hoch zu kommen. Steve wartete bereits auf sie.
„Verdammt, was brauchst du so lange...? Hat sie dich gesehen?!“ „Wer... wer ist das?“
Mikoto konnte Steves Frage nicht beantworten, ihr Herz raste so sehr, als hätte sie den Marathonlauf vom Vorabend wiederholt... mehrere Male am Stück. Ihre Beine waren nur noch Pudding und in ihren Schläfen pochte es ungewöhnlich hart und laut. Alles in ihr schrie sie an, auf die Bühne zu springen und ihr Schwert in den Körper dieser Frau zu treiben.
Ein endloses Verlangen... sie konnte die Knochen schon Knacken hören, das Blut in ihrem Mund schmecken... Ihre Hände zuckten und der Wunsch wurde mit jedem Moment mächtiger in ihr.
„Reiß dich zusammen, Mikoto!“
Ein brennender Schmerz auf der Wange holte Mikoto von der blutigen Bühne ihrer Fantasie zurück in die menschenüberlaufende Oper, deren Gastgeberin noch immer sang... und zum ersten Mal begann Mikoto, die Lieder der Oper zu hassen... und die Tatsache, dass sie an diesem Tag von jedem, mit dem sie interagierte, eine Ohrfeige bekam...
    Steve und sie verließen die Oper im Eilschritt, keiner von ihnen sagte auch nur ein Wort, sie hetzten nur stumm in eine Richtung. Es war egal, welche Richtung sie einschlugen, solange sie diese von der Oper weg führte.
Mikoto folgte Steve, ohne einen wirklichen Gedanken fassen zu können. Es war, als wäre ihr Geist noch in der Oper gefangen, würde jetzt noch die Musik des Orchesters und die Stimme der blonden Frau mit den einem Arm und der weißen Maske hören. In Ketten gelegt an diesem Ort, hilflos ausgeliefert. Dabei war das moderne Gebäude der Oper, schalldicht abgeriegelt, bereits lange hinter den Häusern der Stadt verschwunden. Dennoch hielten weder Steve noch sie an. Sie rannten, wie sie am Abend zuvor gerannt waren, mit voller Kraft, als würden sie versuchen, einen Olympia-Läufer einzuholen – mal wieder.
Erst, als sie fast eine halbe Stunde lang gerannt und die Hochhäuser der Stadt sich zurückgezogen und kleinen Wohngebieten Platz gemacht hatten, kamen sie beide keuchend zum Stehen.
Es war der Moment, in dem Mikoto auffiel, dass es Steve nicht anders ergangen war, als ihr. Er hatte sich zwar früher zurückgezogen als sie... aber es schien ihm trotzdem nicht gut zu gehen. Sein Schritt war schwankend, er keuchte und schwitzte mehr, als er es am Abend zuvor getan hatte und seine Hände zuckten immer wieder, als würden sie ein Schwert umklammern. Es schien sogar fast so, als würde er sich schlechter

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