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Die Geisterseherin (German Edition)

Die Geisterseherin (German Edition)

Titel: Die Geisterseherin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Schwarzenstein
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schluchzend auf der anderen Seite der Tür zur Boden sank. „Was... ist denn?“
Ungläubig schüttelte sie den Kopf. Geschockt über die Reaktion, langsam begreifend, was sie eigentlich schon lange hätte begreifen müssen. Dennoch die offensichtlichsten Fakten verdrängend beschloss sie Yuki's Mutter zu fragen, was da eben passiert war. Yuki dagegen blieb alleine zurück, in seinem Kopf tausend Gedanken. Er wusste nicht mehr, was er tun sollte, denn nichts würde mehr funktionieren.
„Ich kann nicht mehr zurück...“, murmelte er immer und immer wieder, wie ein kaputtes Tonband.
Warum, so fragte er sich verzweifelt, konnte er nicht einfach weiter seine Zwillingsschwester sein? Was sprach dagegen, wenn er sein Leben so lebte, wie er es für richtig hielt?
Wenn man ihm dies verbot, dann war das für ihn, als würde er jeden Tag ein kleines bisschen sterben. Ja, es würde ihn auf Dauer vernichten.
Plötzlich stand er ruckartig auf und lief wie benommen zu seinem Schreibtisch, wo noch die Schere lag, mit welcher er die Preisschilder aus den jetzigen Sachen entfernt hatte. Jene Sachen, die ihm den Tag hätten versüßen sollen. Wütend und verzweifelt zugleich nahm er das silbrige Metallwerkstück in die Hand und wendete sie einige Male, während er jenen Gedanken immer wieder aussprach, der in diesem Moment seinen Kopf ausfüllte.
„Manchmal ist es besser gleich zu sterben, als jeden Tag ein kleines bisschen...“
Mit zittriger Hand führte er das kalte Metall der Schneide an seine Kehle. Es war so einfach, sagte er sich. Es war alles vorbei, wenn er zustach. Mikoto hatte ihm ein paar Dinge über die Geister erzählt, er wusste, was der Tod eigentlich bedeutete... und er würde einfach zum Rad des Schicksals gehen und für sein neues Leben um einen anderen Körper bitten. Sein Tod heute war nur der Beginn einer neuen Reise in ein Leben, in dem er vielleicht sogar sein konnte, was er sein wollte. Er musste nur zustoßen... das Fleisch eines Menschen war leicht zu durchdringen. Das Metall... es würde seine Hauptschlagader zerfetzen und dann... dann würde er in nur wenigen Sekunden an einem besseren Ort sein... vielleicht sogar schon in einem neuen Leben. Er musste nur zustoßen.
Er musste nur...
Er musste...
Er...
Die Schneide der Schere ritzte seine Haut und ein einzelner Blutstropfen glitt die Klinge entlang. Doch dieser kurzer, kleine Schmerz, ließ Yuki realisieren, was er gerade tat. Erschrocken stieß er die Schere von sich, die scheppernd über den Schreibtisch flog. Sein Atem ging heftig, als er ungläubig auf den kleinen Blutfleck starrte, den der Blutstropfen auf der Klinge hinterlassen hatte. „Was machst du da, Yuki...“, murmelte er entsetzt zu sich selbst. „Du willst... du willst doch gar nicht sterben, oder? Du willst doch eigentlich nur leben...“
Hatte er wirklich gerade... für einen winzigen Moment gedacht, dass er sich umbringen müsste, um glücklich zu werden? Hatte ihn der Schock so den Verstand vernebelt? Er konnte sich doch nicht einfach umbringen! Nein, nicht hier und nicht jetzt!
In diesem Moment klopfte seine Mutter an die Tür. „Yuki, hörst du mich? Sayuri und ich müssen kurz weg, mir ist ein Gewürz ausgegangen, dass ich für das Mittagessen brauche. Wir sind nur kurz im Laden um die Ecke, dauert keine zehn Minuten. Könntest du solange nach dem Essen schauen und ab und an mal umrühren?“ Yuki schluckte seine Trauer und seinen Zorn für einen Moment herunter und versuchte mit möglichst fester Stimme zu antworten. „Kein Problem...“
„Danke, Schatz! Wir sind auch gleich wieder zurück!“
Yuki starrte auf die Schere, auf den kleinen Blutfleck, an der Schneide. Für einige endlose Sekunden spiegelte sich sein Gesicht in der Klinge.
Sein Gesicht... das Spiegelbild, in dem er nur sich sah. Keine Megumi... kein Yuki in Verkleidung. Nur sich selbst... und in diesem Moment fasste er einen Beschluss. Eine endgültige Entscheidung, die er hätte schon lange zuvor treffen müssen, doch für die er stets zu feige gewesen war.
Auch wenn die Entscheidung selbst eine große Feigheit war, denn er gab auf und klammerte doch am Leben.
Hastig wischte er sich die Tränen aus dem Gesicht und leerte seine Sporttasche über dem Bett aus. Dann öffnete er seinen Kleiderschrank und packte das blass-lilafarbene Kleid, die Schuluniform und Unterwäsche in die Tasche. Anschließend holte er aus seinem Nachttisch sein Sparbuch hervor und steckte es ebenfalls in eine der vielen Seitentaschen. Sich

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