Die Geisterseherin (German Edition)
griff in seine Tasche und stockte dann. Er hatte doch gar keine Marke... eine alte, nicht auszutreibende Gewohnheit hatten ihn nach etwas greifen lassen, dass er schon seit Ewigkeiten nicht mehr in der Hand gehalten hatte.
„Äh... ich habe keine Marke dabei.“
„Aber... sie kamen doch in dem Polizeiwagen, nicht?“, fragte der Mann verwundert und jetzt noch misstrauischer klingend. „Ja, aber ich bin nur privat hier. Ich würde Herrn Steve Steiner gerne besuchen, als ganz normaler Besucher, nicht als Polizist... und wenn er nicht will, dann sagen sie ihm, dass ich ein alter Freund bin, der ein paar Neuigkeiten für ihn hat.“
„Ja, ja... das sagen sie alle. Ich melde sie an, sie können schon einmal im Foyer Platz nehmen. Aber wenn dieser Steiner „Nein“ sagt, dann können wir nichts machen. Er hat ein Recht darauf, Besuch zu verweigern.“
„Natürlich...“, antwortete Kinoshita ihm. Diese kleine Regel gab es schon zu seiner Zeit und wurde nur außer Kraft gesetzt, wenn der Besuch aus Polizeibeamten bestand.
„Und ihr Name war noch einmal?“
„Kinoshita... Kommiss...“ Er stockte erneut und schüttelte den Kopf. Er war doch gar kein Kommissar mehr, was redete er also da? „Kinoshita, Kouhei ist mein Name.“
Der Pförtner warf noch einmal einen prüfenden Blick auf ihn und schüttelte dann den Kopf, bevor er die Schranke hochfahren ließ, die den Weg zum Eingang des Hauptgebäudes versperrte.
„Wie gesagt... wir richten es aus, aber wenn dieser Steiner nicht mit ihnen reden will, dann... haben Sie Pech gehabt.“
„Okay...“
Kinoshita packte seine Aktentasche und lief hastig in Richtung Hauptgebäude. Er war sich nicht sicher, ob sein Name Steve noch geläufig war, aber trotzdem war er guter Dinge.
Er musste nur aufpassen, dass er nicht verriet, dass Mikoto ihn aufgesucht hatte. Sie hatte zu ihm ja gesagt, dass es niemand erfahren durfte und daran wollte er sich halten.
Im Hauptfoyer, einer großen Eingangshalle, angekommen, nahm er Platz auf einem der, typisch für solche Wartehallen, extrem unbequemen Sitzmöglichkeiten.
Seinen Blick einmal durch den Saal schweifen lassend, bemerkte er, dass er der einzige war, der hier saß. Dennoch hatte es mal eine Zeit gegeben, in der die Gefängnisleitung den Bau einer solchen Wartehalle in Betracht ziehen musste. Wieder einmal ein Beweis dafür, wie sehr sich die Welt doch gewandelt hatte.
Das Wort Gefängnis hatte eh in den letzten Jahren seine Bedeutung verloren. Warum sollte man fürchten lebenslänglich eingesperrt zu werden, wenn der Virus einem vielleicht eh nächste Woche das Leben raubte?
Dazu kam, dass einige der Täter dem Virus bereits erlagen, bevor es überhaupt zum Prozess kam! Durch fehlende Anwälte und hochqualifizierte Richter dauerte der Start eines Prozesses immer länger. Es war ein Wunder, so dachte Kinoshita bei sich, dass das System überhaupt noch vorhanden war und dass die Menschheit inzwischen wieder einen Status erreicht hatte, in dem es eben nicht mehr zu massiven Straftaten kam.
So weit er wusste, gab es sogar wesentlich weniger Straftäter, als noch vor dem Ausbruch... die Frage war nur, wie das aussah, wenn man es prozentual zur Anzahl der lebenden Menschen auf dem Planeten sah. Nahm man einfach mal pauschal an, dass 1% der Bevölkerung Straftäter wären und verglich dies auf hundert Leute, so hatte man nur einen einzigen Täter. Der gleiche Prozentsatz auf 100.000 Leute gerechnet, ergab allerdings bereits 1000 Täter! Die Zahl alleine reichte also als Statistik nicht wirklich...
Die höchste Verbrecherrate hatten eh die „dunklen Jahre“ gehabt. Was damals gemordet, geplündert, vergewaltigt oder betrogen wurde, würde die Polizei, müsste man es aufarbeiten, heute noch beschäftigen...
„Herr Kino...shita, war das ihr Name?“
Ein junges Mädchen, mit haselnussbraunen Haaren und Sommersprossen im Gesicht und welche eine Polizeiuniform trug, trat an ihn heran und Kinoshita schreckte aus seinen Gedanken auf. „Äh... ja, das bin ich.“
„Sie wollten zu Herrn Steve Steiner, ist das korrekt?“
Er nickte.
„Nun, wenn Sie mir bitte folgen würden... der Insasse Steve Steiner ist bereit Sie zu empfangen.“
„Sehr schön...“
Er stand auf und nahm seine Aktentasche von einem weiteren Stuhl. „Tut mir leid, aber den müssen Sie für die Dauer Ihres Besuches mir übergeben, Herr Kinoshita.“
Er verzog das Gesicht und händigte die Aktentasche der jungen Frau aus. Es war nicht so, dass er sie brauchte... er hatte eh
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