Die Geisterseherin (German Edition)
Pessimist und versuchte den Gedanken an einen toten Yuki zu verdrängen. Sicher.. er war auch nicht unbedingt ein Optimist, der alles gleich positiv sah... nein, er sah sich selbst als normalen Menschen, der sich nicht in diese Schubladen stecken ließ. Er zog, dadurch, dass er so lange Zeit als Polizist gearbeitet hatte, einfach jede Option Betracht.
„Wer ist da?“, krächzte eine Stimme über den Lautsprecher ihm entgegen.
„Guten Tag, Herr Yutaka. Mein Name ist Kouhei Kinoshita, ich würde gerne ein paar Worte mit ihnen reden. Würden Sie mir bitte die Tür öffnen?“
Zuerst kam keine Antwort, dann hörte er das Fenster über sich aufgehen. Als er nach oben blickte, sah er jedoch nur jemanden dasselbe Fenster wieder schließen. Ein paar Sekunden später summte der Türöffner und Kinoshita öffnete die Tür, lief durch das Treppenhaus in Richtung erster Stock.
Die Tür zur Wohnung der Yutaka's stand nur ein kleines Stück weit offen, nicht mehr als einen Spalt, durch den man den Flur beobachten konnte.
„Sie sagten Kinoshita, oder?“, krächzte die Stimme eines älteren Mannes durch den Spalt.
„Richtig, wir haben uns vor gut zwanzig Jahren schon getroffen.“ Die Tür öffnete sich weiter und ein älterer Mann, vermutlich Mitte fünfzig grüßte ihn. Für einen Moment hatte Kinoshita ihn gar nicht erkannt gehabt, aber vor ihm stand tatsächlich der Vater von Yuki Yutaka. Er hatte einmal mit ihm geredet gehabt, das war damals, als Yuki verschwand und er eine Verbindung zwischen dessen und Mikoto's Verschwinden untersuchte.
„Sie kommen... spät, Kommissar. Ich hatte sie schon von 20 Jahren erwartet...“, murmelte der Mann und schüttelte müde den Kopf. Kinoshita fand, dass er schlimm aussah, die zwanzig Jahre hatten ihn sichtbar verändert. Er wirkte viel älter, als er eigentlich war und das braune Haar war bereits aschfahl... und das obwohl dieser Mann jünger war, als er selbst. Von dem „sanften Riesen“ von damals, den er noch kennengelernt hatte, war jedenfalls nicht mehr viel übrig. „Sind Sie hier, um mir nach all der Zeit eine frohe Kunde zu bringen?“, fragte der Mann ihn weiter und für einen Moment glaubte Kinoshita ein leichtes Aufflackern von Leben und Zuversicht in den Augen des Mannes zu sehen.
„Äh... wie man es nimmt...“, murmelte er darum verlegen, räusperte sich und begann dem Mann zu erklären, warum er hier war. „Ich ermittle noch in einigen alten Fällen und suche deswegen auch ihren Sohn noch. Leider kann ich Ihnen heute nicht die frohe Botschaft eines Fundes überbringen... aber ich würde gerne mit Ihnen über Yuki's damaliges Verschwinden reden, um sicherzustellen, dass die Daten noch aktuell sind.“
„Braucht die Polizei eigentlich immer so lange...“, fragte der Mann ein wenig aufgebracht. „Mein Sohn verschwand immerhin vor 20 Jahren! Er war damals 17 Jahre alt, noch nicht einmal volljährig. Wenn er jetzt noch lebt, was ich wirklich hoffe, dann geht er jetzt auf die 40 zu! Er ist inzwischen ein ausgewachsener Mann, hat sicherlich selbst Familie!“
„Das tut mir ausgesprochen leid...“, versuchte Kinoshita den Mann zu beruhigen.
„Sehen Sie... ich bin nicht mehr bei der Polizei, ich ermittele nicht offiziell. Aber mir liegt ihr Fall noch immer sehr am Herzen. Ich habe ihn und ihren Sohn daher nie vergessen. Jetzt hat sich auch eine neue Spur aufgetan, die ich zuvor nicht kannte. Darum bin ich hier... weil ich die Ermittlungen von mir aus wieder aufgenommen habe.“ Für einen Moment blieb der Mann ruhig, dann trat er zurück und winkte Kinoshita herein.
„Kommen Sie herein... da redet es sich besser, als in der Tür. Möchten Sie vielleicht einen Tee oder Kaffee?“
„Nein, danke.“
„Bier?“, fragte der Mann erneut.
„Ich verzichte...“
Er zuckte mit den Schultern und nahm sich selbst ein Bier, während Kinoshita in die Wohnung eintrat und im Wohnzimmer Platz nahm. Er war nur einmal hier gewesen und das auch nur kurz und darum war seine Erinnerung an diesen Ort nicht mehr die allerbeste, aber soweit er das beurteilen konnte, sah dieser Ort noch so aus, wie damals. „Wissen Sie, Yuki war... ein tolles Kind. Er hat so viel getan und geopfert, vor allem für seine Mutter...“, erzählte sein Vater und nahm einen kräftigen Schluck aus der Bierflasche.
„Er hatte wohl allen Grund dazu weg zu laufen... und ich bin ihm deshalb auch nicht böse, Herr Kommissar. Aber wenn Sie ihn finden... sagen Sie ihm bitte, dass die Tür für ihn immer offen steht.
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