Die Geisterseherin (German Edition)
dass ich ein Zwilling war und dabei meiner Zwillingsschwester noch ähnlicher sah, als sie mir, wenn sie verstehen, was ich meine.“
Er nickte. Yumi wollte damit aussagen, dass er als Junge weiblicher aussah. Seine Zwillingsschwester sah dagegen kaum männlich aus. „Viele Menschen haben darum diverse Schönheitsoperationen hinter sich. Da wird die Nase zur Stupsnase, das Kinn feiner oder der Mund fülliger. Das Ergebnis, finde ich, ist oft aber eher... puppenhaft und nicht mehr echt wirkend. Ich hab auf das alles verzichtet, auch wenn die Hormontherapien sicherlich optisch auch einiges an mir noch verweiblicht haben. Aber was Operationen angeht, ich habe mich nur insgesamt zweimal unter das Messer gelegt.“
Kinoshita nickte interessiert, das ganze war für ihn sehr interessant. Er hatte ja bereits solche Fälle gehabt, aber nie wirklich viel von den Leuten erfahren, das Thema war für ihn also praktisch gesehen neu. „Die erste Operation sorgte für meine... durchschlagenden Argumente...“, kicherte Yumi und hielt dabei einen einzelnen Finger hoch, dem sich kurz darauf ein zweiter dazu gesellte.
„Die zweite Operation war für meinen Mann, damit er in unserer Hochzeitsnacht nicht die Krise bekommt... sie verstehen schon, was ich meine.“
„Äh...“
Kinoshita spürte, wie ihm das Blut in sein Gesicht schoss und er wandte sich schnell wieder seinem Brötchen zu, dass auf einmal und ohne Aufschub zu dulden genauestens mit Wurst und Käse belegt werden wollte.
„Der Rest waren die Hormone und die Tatsache, dass mir ein gewisser Körperbau bereits in die Wiege gelegt worden war. Nicht viele haben so viel Glück... und ich danke jeden Tag, wenn ich in den Spiegel schaue, allen Göttern dieser Welt dafür.“
„Aber Kinder bekommen können Sie nicht, oder?“
Erneut lachte Yumi, dieses Mal allerdings, weil es eine sehr dumme Frage war.
„Ihre Frage ist schon vorbei, Herr Kinoshita. Vorher bin ich dran.“ „Okay... wie Sie wollen. Was möchten Sie wissen?“
„Ganz einfach... Haben Sie Familie, Herr Kinoshita? Eine Frau... Kinder vielleicht? Die Fahrt nach Sapporo war doch sehr lang und sie scheinen mir sehr viel Zeit... in diese Geschichte zu investieren.“ Kinoshita schüttelte den Kopf und antwortete ihr wahrheitsgemäß. „Kinder habe ich nicht, meine Frau war niemals... der Typ Mensch, der gerne viele Kinder haben wollte. Und ich war eh stets mit meinem Beruf verheiratet. Kinder hatten da nie reingepasst. Naja, inzwischen lebe ich auch alleine... meine Frau hat sich vor Jahren von mir scheiden lassen, wegen... meiner Obsession für Gerechtigkeit.“ „Aha? Das klingt hart... aber leben tut sie noch?“
„Na, so läuft das nicht. Zuerst beantworten sie meine Frage von vorhin.“
Yumi verzog das Gesicht und Kinoshita begann laut zu lachen. „Ihr Spiel, Yumi. Also... Können Sie Kinder kriegen?“
„Nein, Herr Kinoshita. So weit ist unsere Medizin nicht. Bedenken Sie doch, dass wir medizinisch seit 20 Jahren alle unsere Ressourcen der sinnlosen Erforschung eines Gegenmittels opfern. Wäre das nicht der Fall, hätte man die Ressourcen in andere Bereiche gesteckt... wer weiß schon, wo wir dann heute wären?“
„Sie halten diese Mittel für umsonst ausgegeben?“
Sie nickte und schluckte das letzte Stück ihres Brötchens herunter. „Seit 20 Jahren haben diese Forscher kein Gegenmittel gefunden. Es gab bislang nicht einmal ein Mittel, welches den Virus verlangsamt oder zumindest bei einem kleinen Teil der Menschheit irgendwelche Anzeichen von Besserung bewirkt. Ich finde einfach, dass wir uns langsam damit abfinden sollten, dass die Menschheit sterben wird und beginnen jeden einzelnen unserer verbleibenden Tage zu genießen. Das Leben ist auch ohne Virus kurz genug.“
Kinoshita erwiderte darauf nichts, wusste auch nicht, was er dazu sagen sollte. Auf der einen Seite bewunderte er die Frau und die Tatsache, was sie alles auf sich genommen hatte, um ihren eigenen Traum in einer Welt, die dem Untergang geweiht war, zu leben. Auf der anderen Seite fand er die Einstellung nicht in Ordnung. Natürlich sollte man jeden Tag so leben, als wäre es der letzte Tag, aber auf der anderen Seite, so fand er es, durfte man sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Vielleicht hat man bereits einige Milliarden Yen zum Fenster herausgeworfen, aber jeder dieser Yen hätte ein Ticket in eine neue und bessere Welt sein können.
Und er war jedenfalls gewillt weiterhin eine Menge Geld für dieses Lottospiel zu
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