Die Geisterseherin (German Edition)
einen Tag überlebe ich nicht“, bevor sie sich von den beiden verabschiedete. Mikoto musste ihr noch versprechen, dass sie sie über alles informierte und dann verließ die wieder einmal zur Herrin des Todes gewordene Frau das Zimmer.
„Wie gut, dass wir ihr nicht noch mehr erklären mussten, ich glaube, das wäre langsam wirklich zu viel geworden. Gerade, was mich angeht...“
„Ja, das denke ich auch... lass uns gehen, wir haben noch einiges vor.“, antwortete Hatsumomo und warf die dunkle Robe, die sie getragen hatte, in die Ecke des Raumes.
„Nein, haben wir nicht, Hatsumomo.“
Die Göttin, welche bereits an der Tür war, drehte sich noch einmal um.
„Wovon redest du? Wir müssen Steve aufsuchen und das Zeitenbuch von Q'nqüra übergeben, um sicherzustellen, dass es weiterhin isoliert bleibt und wir keine Rückentwicklung der Ereignisse bekommen. Außerdem... soll ich die ganzen LKW-Ladungen an Zeitenbüchern etwa alleine sortieren?“
Mikoto nickte und schüttelte sofort den Kopf.
„Ich habe 20 Jahre lang nach deinen Regeln gelebt...“, sprach sie schließlich.
„In diesen 20 Jahren hast du mir beigebracht meinen Körper zu nutzen und mich auf alles, egal was kommen mag, einzustellen. Dank dir wäre ich so weit gewesen, sogar als Herrin der Zeit zu bestehen. Ich habe viel geopfert für diese Welt, zu viel, wenn du mich fragst. Meine beste Freundin hat geheiratet und ich war nicht einmal bei der Hochzeit, ich konnte Steve nicht vor einem Fehler bewahren, der dich für Wochen außer Gefecht gesetzt hat und ich musste mit ansehen, wie mein Vater sich in seiner Arbeit ertränkte, um nicht verrückt zu werden. Hatsumomo... ich kehre nun nach Hause zurück. Ich weiß, dass unsere Arbeit noch nicht beendet ist... aber ich will nicht mehr. Für heute will ich nur noch Mikoto sein... und ich denke, dass ich mir das verdient habe. Sobald ich wenigstens meinen Vater besucht habe... werde ich dir helfen den Rest zu erledigen.“
Hatsumomo drehte sich zu Mikoto um und in ihrem Gesicht war nicht die Wut oder die Enttäuschung zu sehen, die Mikoto eigentlich erwartet hatte. Stattdessen stand in ihrem Gesicht nur Zufriedenheit geschrieben.
„Dann geh, Mikoto. Wenn du dich beeilst, dann holst du vielleicht Miu noch ein und kommst noch heute nach Ichihara zurück. Ich werde dann dort sein, wenn ich dich wieder brauche.“
„Einverstanden.“
Mikoto nickte und rannte an der Göttin vorbei, in die gleiche Richtung, in der auch Miu gerannt war... und zum ersten Mal seit zwanzig Jahren, so fand Hatsumomo, sah die Geisterseherin wieder glücklich aus.
„Hmmm... ich frage mich, ob sie sich jemals wieder Geisterseherin nennen wird?“
Polizeichef Honda saß wieder an einem Schreibtisch, auch wenn es nicht sein eigener war. Es war lediglich ein kleiner Schreibtisch in einem kleinen Büro in der Polizeizentrale von Nago, welches man ihm zur Verfügung gestellt hatte. In der Hand hielt er eine Karte und einen Kuli, mit dessen Ende er immer wieder gegen den harten Karton der Karte klopfte.
Er hatte die letzten Wochen eine aufregende Zeit hinter sich gehabt. Mikoto Sugisaki hatte sich schon vor geraumer Zeit bei ihm gemeldet und nach Kouhei Kinoshita gefragt. Er durfte ihm natürlich nichts davon erzählen, auch wenn er sich immer gewünscht hatte, es zu dürfen.
Darum hatte er Kouhei auch die ganze Zeit über unterstützt. Nach außen hin hatte er natürlich den widerwillig agierenden Polizisten spielen müssen... aber die Wahrheit war eine andere. Der Polizeiwagen, die Recherchen... dies alles geschah auf Wunsch von Mikoto. Er hatte sich dabei mit seinen Chefs angelegt und teilweise auch ohne Genehmigung gearbeitet... jetzt lobten sie ihn und vermutlich würde ihn sein Einsatz ein gutes Stück die Karriere-Leiter hoch katapultieren... Nur wünschte er sich, dass sein ehemaliger Kollege jetzt hier sein könnte, um den Erfolg mit ihm zu feiern. Er hätte es ihm gegönnt, wenn er triumphierend mit dem abgeschlossenen Fall zurück gekehrt wäre.
Er hätte ihn mit offenen Armen empfangen und mit ihm jene Kollegen verspottet, die sich all die Jahre über ihn lustig gemacht hatten. Das hatte er von Anfang an gewollt... das hatte er ihm mehr, als alles andere auf dieser Welt, gewünscht. Stattdessen saß er nun hier mit einem Kugelschreiber und einer Karte in der Hand und suchte nach den richtigen Worten.
Er schrieb die Karte an Kouhei's Ex-Frau, weil er niemanden anderes mehr gefunden hatte, den er hätte anschreiben können.
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