Die Geisterseherin (German Edition)
jeder Schule gibt, Yuki. Ich würde da nicht allzu viel drauf verwetten. Praktisch jede Schule hat so etwas. Verwunschene Schwimmhallen, Geister im Lehrerzimmer... oder ganz beliebt: Das Mädchen, dass bei einem schrecklichen Chemie-Unfall ums Leben kam und seitdem eben jenen Raum unsicher macht.“
„Auf den ersten Blick sieht es wirklich so aus, das gebe ich ja zu... Aber ein Mädchen aus der dritten Klassenstufe behauptet seit ein paar Tagen steif und fest, dass sie den Geist während einer Mutprobe gesehen hätte.“, konterte Yuki sofort.
„Das kann ich mir sogar gut vorstellen. Bei solchen Mutproben ist man nervlich so angespannt, dass man oft Dinge sieht, die gar nicht da sind.“
„Ach, komm schon, Mikoto.“, versuchte Yuki sie zu überzeugen. Er war anscheinend ganz Feuer und Flamme.
„Ein bisschen Spaß muss sein – und vielleicht läuft ja wirklich ein Geist durch die Schule und du kannst ihm helfen!“
„Okay, okay. Ich komme mit, habe ja eh nichts besseres zu tun. Aber ich sage dir gleich, was Sache ist: Geister zeigen sich für gewöhnlich normalen Menschen nicht. Nur Senken-Sha's... also Geisterseher, so wie ich eine bin, können sie wahrnehmen. Also selbst, wenn wir einen Geist finden würden, würdest du von ihm nicht viel mitbekommen.“ Yuki nickte wissend und die beiden machten sich auf in Richtung Schule.
Noch unterwegs sprach Yuki leise vor sich hin: „Geisterseher, ich frage mich, warum du sie sehen kannst und ich zum Beispiel nicht.“ Es war eine gute Frage und Mikoto wusste selbst nicht, warum manche Menschen Geister sehen konnten und andere nicht. Vielleicht waren die Geister immer da und der erwachsene Mensch blendete sie nur unbewusst aus. Oder...
„Hmm... es gibt doch ein sehr breites Spektrum an Lichtfrequenzen und der Mensch selbst sieht nur einen kleinen Teil davon. Vielleicht können Geisterseher ganz einfach mehr von dem Spektrum wahrnehmen, als normale Menschen?“, mutmaßte Mikoto. „Müssten dann die Geister nicht auch auf Infrarot-Aufnahmen zu sehen sein?“
„Ja, eigentlich schon... sofern sie dieses Spektrum nutzen. Aber vielleicht befinden sie sich ja auch einfach in einem Teil des Lichtspektrums, von dem wir noch gar nichts wissen? Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Auch ich sah nicht von Anfang Geister...“
„Nein?“
„Nein... es startete erst an dem Tag, als meine Mutter starb. Habe ich das nicht im Café erzählt?“
Sie erreichten die Schule, kletterten über das abgeschlossene Tor und liefen auf den Eingang zu.
„Ob sie überhaupt offen ist?“, fragte sich Mikoto.
„Sie ist immer offen, habe ich zumindest gehört.“
Mikoto drückte mit der flachen Hand an die Tür, die zu ihrer Verwunderung tatsächlich sofort aufsprang.
„So etwas aber auch... sicher ist das nicht.“
Sie nahm eine der Taschenlampen aus dem Rucksack, knipste sie an und betrat mit Yuki im Schlepptau das Gebäude.
„Also die Eingangshalle ist sauber...“, sagte sie, während sie ihren Blick über die Schuhregale schweifen ließ, welche in jeder japanischen Schule den Eingangsbereich säumten.
Irgendwie kam sie sich ein wenig doof vor, die Schule war bei Nacht alles andere als ein grusliger Ort. Es war einfach... eine Schule. „Es heißt, dass sie im alten Schulkomplex herumspukt, also dort, wo die Clubräume sind.“
„Das würde kein Geist tun, Yuki, wenn er auf dem Dach seinen Tod fand. Wenn wir den Geist finden, dann auf dem Schuldach.“ „Lass uns dennoch nachschauen.“, warf Yuki ein.
Dann, auf einmal und völlig unerwartet, ertönte ein seltsam langgezogener Ton, der entfernt an eine Mischung aus dem Heulen eines Hundes und einem menschlichem Klagen erinnerte, durch die Gänge der Schule.
„Sie... siehst... du! Hier... ist do... doch etwas!“, stotterte Yuki erschrocken, er hatte vor Schreck sogar fast die Balance verloren und strauchelte ein paar Schritte vorwärts.
„Das kam aus der Richtung des alten Schulkomplexes, vielleicht ist ja doch mehr daran, als ich dachte.“, merkte Mikoto verwundert an. Dennoch hielt sie daran fest, dass ein Geist, der vom Dach der Schule gesprungen wäre, sich auch dort aufhalten musste.
Mit festen, weit ausholenden Schritten lief sie in Richtung in des alten Schulkomplexes und Yuki folgte ihr dicht auf.
„Oh man... vielleicht war es... doch keine so gute Idee.“, flüsterte Yuki, nun weitaus weniger mutig klingend, als noch ein paar Minuten zuvor.
„Reiß dich zusammen, du bist doch ein Mann. Außerdem sind Geister
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