Die Geistesbrüder: Karl May und Sascha Schneider Roman einer Künstlerfreundschaft (German Edition)
und wieder Worte seiner erzgebirgischen Mundart aus dem feuchten Mund.
Er macht eine kleine Pause, schaut blicklos über die Köpfe der Anwesenden, sagt:
Nun weiter –
Zweiter Auftritt:
Die Vorigen. Der schwarze Vorbeter. Hinter ihm seine Adjuvanten. Er läutet die Gebetsbretter und singt dazu auf einem und demselben hohen Tone:
Heeehhh alas saláh! Heeehhh alal = feláh! Auf zum Gebete! Auf zum Heile! Heeehhh alas saláh! Heeehhh alal = feláh! Alláh akbar! Alláh hu!
Hierauf kniet er nieder, hinter ihm die Adjuvanten auch. Sie beginnen ihr schreckliches Úmehá, und all Anwesenden fallen ein, nur Schéfaká ausgenommen. Als es genugsam wiederholt worden ist, steht der Neger mit seinem Adjuvanten auf. Sie falten alle die Hände, und er spricht: „Lasst uns die heil’ge Fát’ha beten“! Hierauf zitiert er: „Im Namen des allbarmherzigen Gottes! Lob und Preis sei Gott, dem Weltenherrn, dem Allerbarmer, der da herrschet am Tage des Gerichtes! Dir wollen wir dienen, und zu dir wollen wir flehen, auf dass du uns führest den rechten …“
Er kommt nicht weiter, denn der Scheik eilt von seinem Throne herbei, auf ihn zu, knallt ihm die Peitsche vor das Gesicht und ruft zornig:
Scheik: Was fällt dir ein, du Wurm, du Laus, du Milbe! Wasch dir den Mund mit Seife von Ischnán, doch wage niemals, so mit Gott zu sprechen, als ob er wenigstens dein Freund und Vetter sei, wohl gar der Onkel deiner Tante sei! Du hast nach meinem Formular zu beten, kein Wort hinzu und keines davon weg; Alláh ist Herr, und was ich will, (klatscht mit der Peitsche) geschieht!
Ich weiß es wohl: Seitdem in unserm Schlamme das Christentum nach Heidengöttern gräbt und so ein „Baal“ kaum zehn Piaster kostet, ist auch All’ah im Preis bei Euch gesunken. Da schreit nun jeder Esel stracks zum Himmel, indem er meint, die Allmacht habe sich in allerhöchster, eigener Person direkt um seinen Häcksel zu bekümmern. Doch aber uns, vom heiligen Ímamát, die wir allein, allein berufen sind, die Seligkeit im Volke zu verteilen, uns will man plötzlich überflüssig finden!
(Zu allen) Ich sage euch, Alláh soll wieder steigen, so hoch, so hoch, dass euch die Lust vergeht, nach ihm zu pfeifen, wie es euch beliebt! (zum Vorbeter) Ich will das Úmehá noch einmal hören!
(Der Schwarze kniet wieder nieder, seine Adjuvanten mit ihm. Das Úmehá wird wiederholt, samt den Verbeugungen. Der Scheik schlägt mit der zusammengelegten Peitsche den Takt dazu, gibt nach einiger Zeit das Zeichen, aufzuhören, und fährt dann fort):
Es mag genügen! Merkt euch diese Lehre, und betet nach der altbewährten Weise! Das schnappt und klappt! Das ist so fest gefügt! Das bricht sich Bahn! Wer kann da widerstehen! Ein solch Gebet steigt wie in Wehr und Waffen zum Himmel auf und muss selbst Gott besiegen! Das ist der alte, eiserne Islám, der nicht zu klappern und zu plappern braucht …
8
Noch eine Stunde geht das so weiter. Grabesstille herrscht unter den Zuhörern im Vorleseraum, keiner wagt sich zu mucksen, kein Hüsteln, kein Räuspern, kein Kleiderrascheln. Selbst das Mädchen lässt sich nicht sehen. Nur ihren Schatten gewahrt man hinter der nicht ganz geschlossenen Tür. Dort steht sie, vor Aufregung bis hinter die Ohren gerötet, lauscht klopfenden Herzens, hält vor Ehrfurcht den Atem an, wagt nicht, in die Küche zu gehen und mit dem Geschirr zu klappern oder etwa in den Salon zu kommen, um die Gäste nach ihren Wünschen zu fragen. Auch die beiden Hündchen, Seelchen und Geistchen, hat sie auf Befehl der Herrin vorsorglich weggesperrt, in ein Kämmerchen gleich neben der Küche, bei Wasser und ein paar Knöchelchen. Sie verhalten sich still, als ob sie wüssten, kratzen nicht, winseln nicht.
Mays Stimme ist schon ein wenig ermüdet, nur noch heiser oder sogar im Flüsterton kommen ihm manche Silben aus dem Mund, manchmal verschluckt er Endungen, aber noch immer posiert er in der Haltung des arabischen Märchenerzählers oder auch in der eines Predigers, steif, wie ein Heiliger sitzt er oder wie der blinde Homer, nichts sieht er um sich her, nichts nimmt er wahr, wie in Trance trägt er seinen Text vor, gibt sich wie bei einer der Séancen aus früheren Tagen, als er unter der Regie seiner Verflossenen, der Emma, das Medium sein musste. Feierlichkeit webt im Raum, jede Störung löste den Zauber auf, der sich tatsächlich unter dem Einfluss dieser seltsamen, fremden Verse eingestellt hat.
Fehsenfeld hat die erste halbe Stunde konzentriert
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